Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Zeitbestie

Titel: Die Zeitbestie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asher Neal
Vom Netzwerk:
gehofft, mein Streben nach Vollkommenheit würde zu einer Vereinfachung des Bauplans führen. Ich hatte gehofft, mein Kind würde sich durch die schlichte Nützlichkeit eines Dolchs auszeichnen.
    Der Lärm setzte vor der Morgendämmerung ein und wurde immer lauter und hartnäckiger. Polly erwachte mit klarem Kopf und voller Energie – ganz wie sie sich ans morgendliche Aufwachen in den Tagen vor dem Alkohol und den Drogen erinnerte. Kaum hatte sie die Decken zurückgeschlagen, da betraten die beiden Sklavenmädchen vom Abend zuvor das Zelt und brachten eine Schüssel mit warmem Wasser und darin eingeweichten Bündeln Lavendel, einige Waschtücher, ein Kleid und Sandalen. Als sie anfingen, an Pollys Kleidung zu zupfen, scheuchte sie sie weg und zog sich selbst aus. Sie gafften die fremdartige Schuppe an ihrem Arm an, die auch in diesem Augenblick ein Spannungsnetz durch Pollys Körper zog. Sie ignorierte die beiden Mädchen jedoch und wusch sich von Kopf bis Fuß.
    Sobald sie ausreichend sauber war, zog Polly das Kleid und die Sandalen an und wandte den beiden Sklavinnen den Rücken zu, während sie sämtliche Gegenstände aus den Taschen des Überziehers in die Hüfttasche steckte. Diese band sie sich dann um die Taille. Dann fuhr sie sich mit dem Kamm durchs nasse Haar und band es mit einem Haargummi zum Pferdeschwanz. Anschließend verfolgten die beiden Mädchen fasziniert, wie Polly Lippenglanz und Eyeliner auftrug. Als sie sich so für die Begegnung mit der Welt gestärkt hatte, ging sie an den Mädchen vorbei ins harsche Tageslicht.
    Im Lager herrschte an diesem hellen Morgen Aufruhr. Ringsherum bauten Legionäre und Sklaven Zelte ab und verstauten Ausrüstungsgegenstände. Karren wurden beladen, Segeltuchtornister gepackt, Pferde gesattelt und Lagerfeuer gelöscht. Polly drehte sich um und ging zum Zelt des Kaisers hinüber, und zwei der Prätorianer, die während der ganzen Nacht ihr Zelt umringt hatten, folgten ihr. Ein weiterer Gardist klappte am Ziel die Zelttür für Polly auf, aber als sie sich hineinduckte, fand sie das Zelt leer vor. Sie drehte sich um und bedachte die Prätorianer mit fragender Miene. Einer verbeugte sich erst vor ihr, ehe er auf ein Pferd deutete, das von einem bärtigen alten Mann herbeigeführt wurde, der roch, als hätte er sich in Mist gewälzt. Es fiel Polly in dem langen Kleid schwer, aufs Pferd zu steigen, aber sie schaffte es mit einiger Würde. Der Alte führte das Pferd nun durchs Lager, flankiert von je einem Gardisten.
    Beim Anblick von all dem war Polly richtig glücklich. Dieser Morgen brachte für sie eine große Klarheit: Die Gerüche des Lagers und des Sommers waren so vollkommen wirklich für sie; die Kakofonie schien sie einzuschließen; und all die Farben waren so leuchtend und direkt! Als sie das Lager hinter sich gelassen hatten, ging es zwischen Reihen von Legionären weiter, die ordentlich in Reih und Glied standen. Bienen summten über der umliegenden Heidelandschaft, und der hohe klare Gesang von Feldlerchen gesellte sich hinzu. Schließlich traf die Gruppe vor einem Pavillon mit offenen Seiten ein. Polly stieg ab, trat ein und fand Claudius an einem kleinen Schreibtisch vor, umgeben von diversen ranghohen Offizieren.
    »Quid agis hodie, Furia?«, fragte er, während er eine Schreibfeder anspitzte. Alle Gespräche im Zelt brachen bei dieser Begrüßung ab.
    Ich denke, er hat sich entschieden, dass du ein Dämon bist. Er hat dich gerade gefragt, wie, es dir geht, oder irgendsowas. Wahrscheinlich möchte er nicht, dass du umkippst, ehe du den Opferaltar erreichst.
    »Du bist wirklich ein aufmunternder Mistkerl, was, Nandru?«, fragte Polly lächelnd.
    Alle Männer im Pavillon hörten ihr in höflicher Ratlosigkeit zu und drehten sich dann zu einer Gruppe Soldaten um, die vier Männer zum Kaiser führten. Das waren sicherlich keine Römer: Haar und Bärte trugen sie lang und zu Zöpfen geflochten; die Kleidung war in leuchtenden und nicht zueinander passenden Farben gehalten, und das, was sie an Rüstungsfragmenten trugen, war blau bekleckert. Sie hatten sich auch mit reichlich Goldschmuck zugehängt. Polly hielt sie zunächst für Gefangene, aber das konnte nicht sein, da sie allesamt Waffen und Schilde trugen. Zehn Meter vor dem Pavillon blieben sie stehen und legten die Waffen auf den Boden, ehe sie näher kamen. Als wirkte sie an einer historischen Interaktiven mit, bereitete sich Polly darauf vor, gut unterhalten zu werden.
    Möchten wohl

Weitere Kostenlose Bücher