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Die Zeitbestie

Titel: Die Zeitbestie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asher Neal
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dass seine Erinnerungen undeutlicher geworden waren. Er kontrollierte den in die Unterarmmuskulatur eingelassenen Monitor und stellte fest, dass in fünf Tagen seine Verstandesschablone neu geladen werden musste, um Erinnerungen und Fähigkeiten aufzufrischen, die er ans Neurovirus verloren hatte – war er doch selbst infiziert. Dadurch und durch den Medikamentencocktail, der während des vergangenen Jahrhunderts entwickelt worden war, hielt er das zerstörerische Virus in Schach. Das Unvermeidliche wurde so aber nur hinausgezögert, und ihm blieben bestenfalls noch zwei Jahre. Andererseits war er müde und würde nach dieser letzten Ausrottungsaktion auch keine Beschäftigung mehr haben. Die Herrscher in ihren Enklaven hatten dann keine Verwendung mehr für ihn und würden ihm sicher nicht erlauben, in ihrer Mitte zu leben.
    »Was wirst du hier einsetzen?«, erkundigte sich Elone und warf einen verstohlenen Blick auf den eigenen Monitor.
    Thadus legte den Kopf schief, als er jetzt das Dröhnen der Motoren hören konnte. »Der Perimeter wird enger gezogen, und alle, die sich außerhalb der Ruinen aufhalten, werden nach Hause laufen – so reagieren sie gewöhnlich. Dann werfen wir Verbindung B ab und führen eine Untersuchung am Boden durch, während deine Leute die Proben sammeln. Aber wir können keine allzu große Verzögerung gebrauchen. Noch vor dem Abend werfen wir Brandbomben ab.« Er blickte an ihr vorbei und streckte den Finger aus. »Da.«
    Ein Stück rechts von ihnen auf dem Grat, der die Stadt überblickte, brachen zwei Personen aus ihrer Deckung hervor. Eine war nackt, die andere trug verfaulende Häute und führte einen primitiven Speer mit. Sie stürmten den Hang hinab in das niedrige Gebüsch am Rande der Häuser. Hinter ihnen stürzte krachend ein Baum um, und ein Panzerwagen kam aus dem Wald zum Vorschein. Diese ganze Aktivität wurde dem Jungen auf der Eiche hinter Thadus und Elone zu viel, und er kletterte herunter. Mit einer gewandten Bewegung setzte Thadus das Visier aufs Gewehr, legte an und erfasste den Jungen, als er vorbeihastete. Thadus senkte das Gewehr wieder.
    »Siehst du?«, fragte er. »Sie laufen nach Hause.«
    Unbewusst legte er jetzt einen Finger auf die Comverbindung in seinem Ohr. »Dolure musste eine Höhle ausbrennen, in der sich einige versteckt hatten, aber ansonsten haben wir alle. Der Bomber ist im Anflug.«
    Sowohl er als auch Elone lösten Masken von ihren Gürteln und setzten sie auf. Ringsherum traten die Soldaten der Einsatzgruppe für alte Städte und Elones Überwachungsteam aus dem Wald hervor, und weitere Panzerfahrzeuge kamen in Sicht. Jetzt ertönte ein anders klingendes Motorengeräusch, als der Trikopter-Bomber am Himmel vorbeibrummte und Position über der Stadt bezog. Dann verschüttete er seine Last wie einen leichten Regen aus Pfefferkörnern. Thadus nahm das Gewehrvisier wieder vors Auge und verfolgte, wie die Gasexplosionen erfolgten und sich der Dunstschleier aus Verbindung B zwischen den Häusern ausbreitete.
    Er blickte auf die Uhr, gab der Sache zehn Minuten. »Gehen wir«, schlug er vor.
    Und während er und Elone das taten, schloss sich auch der Umbrathan-Umfassungskreis enger um die Stadt. Nur Minuten später sahen sie erste Opfer des Giftgases: Familiengruppen an Lagerfeuern, manche der Menschen mit Fellen bekleidet, andere so weit im zerebralen Zusammenbruch, dass sie nicht mal mehr eine so primitive Kleidung hatten beibehalten können; Individuen, die fortgelaufen und vom Gas niedergestreckt worden waren; ältere Seuchenopfer, zusammengerollt in stinkenden Hohlräumen der eingestürzten Mauern, wo sie nur dann überlebt hatten, wenn ihre Familien nicht vergaßen, sie zu füttern; andere, die in diesen Hohlräumen schon verwesten. Während Thadus weiterging, das Gewehr mit dem Unterarm abgestützt, schloss sich Elone wieder ihren Mitarbeitern an – infizierte Umbrathan wie Thadus und seine Männer auch –, die jetzt ausschwärmten, um Gewebe- und Blutproben zu sammeln. Thadus’ Männer suchten derweil nach Überlebenden, gingen dabei aber nur halbherzig zu Werk – Thadus hatte in keiner der gesäuberten Städte jemals einen Überlebenden entdeckt.
    Dann sah er den Jungen.
    Im ersten Augenblick glaubte Thadus, er hätte einen Affen vor sich, der bei den Menschen in den Ruinen lebte. Scharen von Makaken, Schimpansen und Pavianen waren ihm schon oft begegnet – aus Zoos entkommen und seit Jahrhunderten wild lebend. Verbindung B war jedoch

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