Die Zeitensegler
und er neigte sich weit zur Seite. Instinktiv griff Simon nach einem Tau am Mast und hielt sich daran fest. Auch die Zeitenkrieger klammerten sich an Taue und Seile. Nin-Si streckte ihre Hand dem Aborigine entgegen, sodass auch er Halt finden konnte.
Wind kam auf, und diesmal neigte sich der Seelensammler so weit zur Seite, dass Simon schon befürchtete, dass das Schiff kentern könnte.
Die Krähe mit dem langen Schnabel kam im Sturzflug über das Deck geflogen und kreischte laut ihr »Er kommt!«, als sich der Seelensammler wieder aufrichtete.
»Haltet euch weiter fest«, brüllte Moon seinen Freunden zu. Simon nutzte diese kurze Pause, um den Griff um das Tau zu erneuern und sich so einen besseren Halt zu verschaffen. Er fürchtete sich vor dem, was nun geschehen sollte.
Der Schattengreifer würde das Deck betreten.
Schon folgte der erwartete zweite Schlag gegen den Seelensammler. Das Schiff wurde noch weiter zur Seite geneigt. Simon hatte alle Mühe, sich zu halten, und auf einmal kehrte der stechende Schmerz zurück und fuhr ihm wieder in alle Glieder. Er schrie gellend auf.
Erst als der Seelensammler sich wieder aufrichtete, ließ der Schmerz nach. Doch nun war es so weit: Aus einer plötzlich auftauchenden Nebelwolke heraus betrat der Schattengreifer das Deck seines Schiffes.
Dieses Mal verharrte er nicht am Bug. Dieses Mal stob er erzürnt auf die Schiffsmitte zu. Die Krähe auf seiner Schulter flog kreischend davon.
»Was fällt euch ein!«, brüllte er so herrisch, dass das Schiff bebte.
Die Zeitenkrieger wichen ihm aus. Jeder drückte sich an der Stelle, an der er Halt gefunden hatte, gegen die Bordwand. So als könne sie Sicherheit gegen den Schattengreifer bieten.
Rasend vor Wut blickte dieser sich um. Bis sein Blick auf Simon fiel und er auf ihn zurannte.
»Was hast du dir dabei gedacht?« Seine dunklen Augen blitzten Simon entgegen. Der Junge wurde plötzlich in die Höhe gehoben.
Wie von Geisterhand geschah es.
Der Schattengreifer stand ihm gegenüber und stierte ihn an. »Weißt du, mit wem du dich hier anlegen willst?«
Die Kraft, die Simon in die Höhe hob, schnürte sich um seinen Körper. Wieder durchfuhr ihn dieser stechende Schmerz.
»Hast du eine Ahnung, wen du hier herausforderst?«, schrie der Schattengreifer ihm zu. Der Druck verstärkte sich. Simon spürte, wie seine Rippen stärker und stärker schmerzten. Sich zu verformen schienen.
Luft! Ich bekomme keine Luft, dachte er panisch.
Langsam wurde er nahe an den Schattengreifer herangeführt und endlich ließ der Druck nach.
Erleichtert tat Simon einen tiefen Atemzug – doch augenblicklich drehte sich ihm der Magen um: Ein fürchterlicher Gestank ging von dem Schattengreifer aus. Er stank nach dem, was Simon gerochen hatte, als er sich mit seinen Freunden an die Wand des eingestürzten Hauses in Karthago gedrückt hatte, kurz bevor das Unglück mit Neferti geschehen war. Und jetzt, hier, im Angesicht des Schattengreifers, begriff Simon auf einmal, was er roch: Es war Fäule! Der Schattengreifer stank nach Verwesung, nach Zerfall. Simon hätte sich übergeben können.
Mit einem kurzen Nicken ließ der Schattengreifer Simon endlich frei. Krachend fiel der Junge auf den Boden. Doch die Wut des Schattengreifers war noch nicht verraucht. Noch einmal blickte er sich auf dem Schiffsdeck um, vergewisserte sich, dass auch wirklich nur Basrar unter ihnen fehlte, dann streckte er seinen Arm in Richtung des Vordermastes und öffnete die dünne Klaue. Augenblicklich fing der Mast Feuer. Die Krähen flüchteten aus dem Korb, die Segel wurden fauchend von dem Feuer ergriffen. Simon kroch unter Schmerzen von dem Mast fort und drückte sich, wie seine Freunde, ebenfalls gegen die Bordwand.
Der Schattengreifer streckte seinen zweiten Arm aus und riesige Flammen stoben um den hinteren Mast. Die Haut des Schattengreifers schien zu leuchten im Licht des Feuers. Die Zeitenkrieger duckten sich in ihren Winkeln.
Schließlich wandte sich der Schattengreifer der Kajüte zu. Er hob beide Arme, stieß einen Ruf aus, der wie eine Verwünschung klang, dessen Worte Simon aber nicht verstehen konnte, und im gleichen Moment zerbarsten die Scheiben, und lodernde Flammen stoben hervor, griffen züngelnd nach der Treppe und suchten sich ihren Weg auf das Dach.
Der Schattengreifer wandte sich wieder zu Simon um. »Hast du nun verstanden, mit wem du es zu tun hast?«, schrie er über das Tosen der Flammen hinweg. Er blickte seine Zeitenkrieger nacheinander
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