Die Zeitensegler
hatte. Vielleicht bohrten sich deren Enden ja in seine Organe? Das schien ihm die wahrscheinlichste Erklärung für die Schmerzen zu sein.
Plötzlich ging alles ganz schnell. Der Aborigine legte seine linke Hand auf Simons Schulter, während er mit den Fingern der rechten Hand einen Druck auf den Bauch auszuüben schien.
Was macht dieser Australier da?, dachte Simon entsetzt. Dann schien es einen Ruck in seinem Bauch zu geben, ein unerträglicher stechender Schmerz fuhr durch seinen Körper, und Simon schrie so laut auf, dass die Krähen an den Masten kreischend aus ihren Körben stoben.
Die Zeitenkrieger erschraken. Neferti wollte Simon schon zu Hilfe eilen. Doch in diesem Moment ließ der Schmerz abrupt nach, und Simon hob die Hand, um ihr zu zeigen, dass alles in Ordnung war. Er spürte bereits, dass sich etwas in ihm getan hatte. Er konnte wieder richtig ein- und ausatmen.
Der Aborigine half Simon sachte, sich zur Seite zu legen. Das verschaffte ihm noch mehr Linderung, und Simon atmete auf: Sein Brustkorb fühlte sich noch immer an, als liege eine schwere Last darauf, doch seine inneren Organe waren befreit. Es gab keinen Zweifel: Der Aborigine hatte Simon gerade geheilt oder ihm sogar das Leben gerettet.
Simon ergriff dessen Hand: »Danke!«
Der Australier lächelte ihn an, dann tastete er in Ruhe noch einmal Simons Rippen ab. Er strich ihm über den Brustkorb, um ihm zu signalisieren, dass alles in Ordnung war.
Diese Bestätigung wäre nicht nötig gewesen. Simon fühlte sich von Sekunde zu Sekunde besser. Bis auf das drückende Gefühl im Brustkorb war bereits fast alles wieder wie gewohnt.
Der Aborigine erhob sich nun, trat zum Bug, setzte sich wieder auf die Planken und verfiel in seine gewohnte Körperhaltung, den Kopf zwischen die Knie geklemmt.
Neferti streichelte Simon über das schweißverklebte Haar. »Geht es wieder?«
Simon nickte. »Er hat mir die Schmerzen genommen«, sagte er leise. »Er hat mich geheilt. Einfach so.«
Sie lächelte. »Kann ich etwas für dich tun?«
Simon winkte ab. »Danke. Etwas Ruhe wäre jetzt nicht schlecht.«
Ohne ein weiteres Wort stand Neferti auf, trat zur Kajüttür und griff sich das Segeltuch, das Simon als Decke nutzte. Sie brachte es ihm, breitete es auf seinem Körper aus und ließ ihn allein.
Simon blickte sich um. Die Zeitenkrieger waren dabei, die Spuren ihrer Zeitreise zu verwischen. Sie streiften sich die karthagischen Gewänder ab. Dann säuberten Moon und Nin-Si das Deck von dem Blut des getöteten Legionärs, während Neferti Salomon half, die Holzkiste wieder an ihren Platz zu räumen und die herumliegenden Gegenstände einzusammeln.
Simon schälte sich nun ebenfalls mit Mühe aus seinem karthagischen Gewand, legte sich dann wieder hin und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Er genoss das wohltuende Gefühl der nachlassenden Schmerzen in seinem Körper.
Als er die Augen wieder öffnete, fiel sein erster Blick auf die kleine Krähe, die ihm gegenüber an der Bordwand stand und ihn interessiert anblickte. Sie trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen und schüttelte ihr Gefieder. Ihr Kopf ging nach rechts und links. Sie schien sich zu vergewissern, dass sie auch wirklich niemand bemerkte. Auch einen Blick nach oben, indie beiden Mastkörbe, wagte sie noch, dann kam sie mit kleinen Hüpfern endlich auf Simon zu.
»Basrar?«, fragte sie nur knapp und Simon musste unwillkürlich lächeln. An diese sprechenden Vögel musste er sich wirklich noch gewöhnen.
»Gerettet«, war seine ebenso kurze Antwort.
Die Krähe hüpfte wieder von einem Fuß auf den anderen.
»Kompliment«, stieß sie krächzend hervor. »Das hätte ich euch nicht zugetraut. Ihr habt es also tatsächlich gewagt, es mit dem Schattengreifer aufzunehmen und ihm seinen allerersten Fang zu stehlen. Das war mutig. Überaus mutig.« Sie gluckste amüsiert und wiederholte: »Kompliment!«
»Danke!« Simon merkte der Krähe an, dass ihr etwas ganz anderes auf dem Herzen lag.
Unsicher blickte der kleine Vogel nach oben, versicherte sich, dass die größeren Krähen noch immer nichts von diesem Gespräch bemerkten, und fuhr fort: »Schon mal darüber nachgedacht, dass der Schattengreifer nur an diesen Tag zurückreisen müsste, um Basrar wieder zu holen? Er bräuchte dieses Mal ja nur einige Minuten früher einzutreffen. Dann wäre alles umsonst gewesen.«
Simon schluckte hart. »Nein, daran habe ich noch nicht gedacht.«
»Dann tu es auch nicht«, riet die Krähe,
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