Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)
Burgvogt war niemand, der schnell aufgab, vor allem nicht, wenn er glaubte, leichtes Spiel zu haben. Wahrscheinlich wusste er längst von Zacharias' vergeblichem Versuch, das Stadttor zu passieren.
Noch einmal strich Zacharias über die großen, rauen Steine der massigen Mauer, die die Stadt vor ihren Feinden schützte. So nah an der Stadtmauer ... nah an der Stadtmauer, da war doch noch etwas ... er schloss die Augen. Aber natürlich! Nah an der Stadtmauer und nicht weit vom Haupttor, da musste doch das Haus sein von diesem ... wie hieß er gleich? Willem hatte ihnen doch den Namen genannt, Wi llem, der sie durch den Wald nach Sonningen geführt hatte. Wendet euch an den buckligen Jonas, wenn ihr in Schwierigkeiten geratet, hatte Willem gesagt.
Zacharias gestand sich ein, dass er diesen Rat nicht besonders ernst genommen hatte. Auf Freunde von so liebenswerten Menschen wie Gerald dem Schwarzen oder Willem würde man gut verzichten können, hatte er geglaubt. Aber nun war dieser Jonas seine letzte Hof fnung.
Entschlossen schlug Zacharias die Faust in die offene Hand. Willem hatte ihnen eingeschärft, dass auf die Tür des Hauses, in dem Jonas wohnte, als Erkennungsmal ein weißer Strich über einem Punkt gemalt war. Das Zeichen des Hehlers! Er würde dieses Zeichen finden. Und dann würde er Jonas um Hilfe bitten.
Er folgte der Stadtmauer in Richtung des Haupttors, schnell, aber vorsichtig darauf bedacht, von niemandem überrascht zu werden. In der engen Gasse zwischen den doppelstöckigen Fachwerkhäusern und der hohen Mauer war es dunkler, als es der Tageszeit entsprach. Zum ersten Mal, seit er durch das Burgtor gerannt war, spürte er den kalten Wind auf seinen erhitzten Wangen. Das Wollzeug, das er wie einen Pullover trug, klebte an seinem Körper. Fröstelnd schloss er seinen Umhang vor der Brust und musste dabei an Mama denken. Es wäre ihr sicher nicht recht, dass er bei diesem Wetter völlig durchgeschwitzt durch die Gegend lief. Andererseits ... ein Schnupfen war nun wirklich nicht das Schlimmste, das ihm hier passieren konnte.
Er lief jetzt etwas langsamer und musterte aufmerksam die Türen der Häuser. Manche hingen schmucklos in ihren schiefen Rahmen, andere waren über und über bemalt oder mit Schnitzereien versehen. Er musste aufpassen. Auf keinen Fall durfte er das Zeichen übersehen, den weißen Strich mit dem Punkt. Das Zeichen des Hehlers!
Sein Blick blieb an einer Tür hängen, die mit Ornamenten verziert war. Schneckenförmige Kreisel wechselten sich ab mit rautenartigen Vierecken. Aber ein Punkt war nicht dabei, schon gar nicht ein Punkt mit einem Strich darüber.
Das Stadttor kam näher. Gleich musste die Abzweigung kommen, die sie vor zwei Tagen auf ihrem Weg zum Marktplatz genommen hatten. Er begann zu zweifeln, ob er hier richtig war. Vielleicht stand das Haus von Jonas gar nicht auf dieser Seite des Stadttores. Vielleicht musste er erst am Tor vorbei und es in der anderen Richtung versuchen, vielleicht ... er stutzte.
Das Haus, vor dem er jetzt stand, machte einen ziemlich verwahrlosten Eindruck. Die Tür bestand aus zwei Hälften, von denen die obere aufgeklappt war. Die Ellbogen auf die untere Türhälfte gestützt, stand ein kleiner, unrasierter Mann in dem Hauseingang. Er trug ein schmutziges Hemd und obwohl es so kalt war, hatte er die Ärmel hochgeschlagen. Die kleinen, schlauen Augen blinzelten, seine dicke, rüsselförmige Nase zuckte, als würde er etwas riechen, das ihm nicht gefiel und die wenigen Haare, die ihm geblieben waren, standen von dem kreisrunden Kopf in alle Richtungen ab.
Natürlich war dem Mann nicht entgangen, dass vor seinem Haus ein Junge stehen geblieben war. Mit unfreundlicher Miene musterte er Zacharias, als ob er sich sein Gesicht genau einprägen wollte. Eigentlich hätte schon das für Zacharias Grund genug sein müssen, sich davonzumachen. Bestimmt hätte er es auch getan, wäre da nicht der riesige Buckel gewesen, der fast wie ein zweiter Kopf auf dem R ücken des Mannes saß.
„Seid Ihr vielleicht, äh, ich meine, nennt man Euch ... Jonas den Buckligen?“, fragte Zacharias verlegen.
Obwohl er nun wirklich andere Sorgen hatte, war es ihm peinlich, den Mann so direkt auf seinen verunstalteten Körper anzusprechen. Der sah ihn prüfend an, sagte aber kein Wort, sondern schmatzte nur mit seinen fleischigen Lippen, sodass er einem Schwein noch ähnlicher wurde. Verdammt, warum antwortet der Kerl nicht, dachte Zacharias gehetzt. Ich habe keine
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