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Die Zeitreisenden in Callahans Saloon

Titel: Die Zeitreisenden in Callahans Saloon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spider Robinson
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wird schrecklich kalt.
    Im Handschuhfach liegt eine kleine Flasche:
    Ein bißchen Irish Whisky als Seelenwärmer.
    Aber es ist so mühsam, danach zu greifen,
    Und es ist ja gar nicht so kalt.
    Vielleicht würde er mich wärmen,
    Aber es ist einfach die Mühe nicht wert ...
    Sie ließ die Schultern hängen und ihre eintönig begleitende Gitarre klang entsetzlich unwiderruflich.
    Neben der U.S. 40 war kein Dodge mehr zu sehen, nur noch eine Schneewehe wie viele andere, friedlich und schrecklich kalt. Im schwachen Licht schimmerten geheimnisvolle Schneeskulpturen, weiße Hügel und Täler. Wenn nicht der wirbelnde Dunst gewesen wäre, hätte man es für das Morgengrauen halten können.
    Der Wagen war vollkommen unsichtbar – genau wie die Tiere in ihren Höhlen, Löchern und Bauen. Aber sie erinnerten sich nicht mehr an den Wagen ... und wenigstens in ihren Schlupfwinkeln gab es so etwas wie Leben.
    Erschreckend unerwartet wechselte sie zu E-Dur hinüber, gelangte mit Hörnern, Baß und Trommeln zu einem ekstatischen Hallelujah-Chor, so daß man wieder zu hoffen wagte. Dieser pochende Beat war bestimmt ein Herz, das zu schlagen begann, diese Energie hatte bestimmt ein Ziel.
    Wir richteten uns auf und hielten Daumen.
    Ich habe es! Es gibt etwas, das ich tun möchte,
    Etwas, das vielleicht einen Sinn hat.
    Ich habe in einem Glasröhrchen Gras
    Hier unter meiner Bluse
    Ich werde mir einen Joint drehen.
    (Stimme und Begleitung erreichten einen Tiefstand, denn die feierliche Stimmung machte ihnen Angst ...)
    Ein kompliziertes Unternehmen – es könnte den
    Frieden stören,
    Aber es müßte mich genauso wärmen wie ein
    Drink.
    Es ist jedenfalls den Versuch wert und es wird
    mir helfen
    Einen Grund zu finden, warum ich hier
    raus muß.
    Glaube ich jedenfalls.
    (a capella)
    Wo habe ich das Zeug bloß hingetan?
    Wieder erklang das Cis, eine erschreckende Rückkehr ins Unvermeidliche, und die eintönige Gitarre zog uns den Boden unter den Füßen weg. Wir waren hilflos, wußten nicht, ob uns die Musik oder der Text stärker bewegte, und warteten in ängstlichem Schweigen darauf, was jetzt kommen würde. Die ausdruckslose Stimme sprach zum letzten Mal.
    Zwei Wochen später grub der Straßendienst den Wagen aus und fand in ihm die steifgefrorene Leiche einer jungen, unglaublich friedlich und heiter wirkenden Frau. Zwischen den blauen, erstarrten Lippen hing der bleistiftdünne Aschenrest einer selbstgerollten Zigarette, die ungestört gebrannt hatte, bis sie die Lippen versengt hatte und erloschen war. Der Leiter des Teams beruhigte seine Leute und verständigte bemerkenswert gelassen die Polizei.
    Dann fuhr er nach Hause und ging voll Leidenschaft mit seiner Frau ins Bett.
    Die verdammte, nervtötende Gitarre endete mit der e-Moll-Sexte, die sich mehr schlecht als recht auflöste.
    Eine volle Minute blieb es still, bevor jemand auch nur in seinen Drink blickte, um dort vielleicht eine Antwort zu finden. Doch dort schwamm keine, deshalb versuchten wir wieder, einander ins Gesicht zu sehen. Als auch das nicht half, wandten wir uns zu dem Fremden um, der uns diese Vision beschert hatte. Er hatte die Hand wieder sinken lassen, der Kamin stand an seinem alten Platz und versuchte treuherzig, einen Raum zu erwärmen, der kalt wie eine Gruft war ...
    »Das, Gentlemen«, erklärte er einfach, »ist Bobbi Joy.«
    Niemand sprach. Doc Webster zerbrach sich offensichtlich verzweifelt den Kopf über eine witzige Bemerkung, um den Bann zu brechen, aber ihm fiel keine ein. Der Fremde hatte recht gehabt: jetzt, nachdem es vorbei war, konnten wir kaum glauben, daß es geschehen war, daß wir noch am Leben waren.
    »Jetzt kennen Sie sie«, fuhr der Fremde fort, »und jetzt kann ich Ihnen ihre Geschichte erzählen, wieso sie zu dem geworden ist, was sie ist, und ich kann Ihnen auch verraten, was ich dagegen unternehmen will.«
    Bobbi Joy (fuhr der Weltverbesserer fort) hieß in Wirklichkeit Isadora Brickhill und war 1952 irgendwo in Harlem auf dem Rücksitz eines Gebrauchtwagens zur Welt gekommen.
    Ich lese in Ihren Gesichtern, Gentlemen, daß ich Ihnen nicht erklären muß, was das alles beinhaltet. Für sie gab es nicht einmal Billie Hollidays klassische zwei Möglichkeiten – zu dieser Zeit brauchte niemand ein Dienstmädchen. Erziehung und Ausbildung, die die kleine Isadora erhielt, waren äußerst einseitig: 1966 war sie eine erfahrene und angeblich perfekte Hure.
    Selbst in diesem ältesten Gewerbe war sie etwas Einmaliges. Sie trank nicht,

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