Die Zeitstraße
– ins Freie!«
Zu einer Gerichtsverhandlung in diesem Falle kam es nie. Das lag daran, daß die SUMMER QUEEN nicht zur Erde zurückkehrte. Jawrylacz und Gamecluq, von den Anwesenden im Kommandostand diejenigen mit dem niedrigsten Rang, übernahmen den Abtransport der Leiche. Als sie sie durch ein Mannluk am Heck der SUMMER QUEEN hinausbugsieren wollten, verfing sich Ohl Pommeroys Gürtel an einem der Vorsprünge der Verriegelung. Gamecluq, der nicht erkennen konnte, warum es plötzlich nicht mehr weiterging, wendete Gewalt an und bewirkte dabei zweierlei: Erstens brachte er Pommeroys metallene Gürtelschnalle zum Platzen, und zweitens verbog er den Teil des Riegels, an dem sie sich verfangen hatte.
Die Leiche wurde in einem kleinen Gebüsch unweit des Landeplatzes der SUMMER QUEEN verborgen. Jawrylacz und Gamecluq wußten nicht, was Fauchet mit dem Toten vorhatte. Sie kehrten an Bord zurück. Gamecluq schloß das Mannluk. Der Riegel schnappte zwar nicht, aber ein kleines Stückchen Chrom von der Gürtelschnalle hatte sich zwischen den Riegelzähnen so verfangen, daß es einen Kontakt zwischen zwei Elektroden herstellte und dadurch das elektronische Signal RIEGEL GESCHLOSSEN erzeugte, das oben im Kommandostand auf der Anzeigetafel erschien und den Eindruck erweckte, das Mannluk sei ordnungsgemäß geschlossen.
Auf diese Weise sorgte Ohl Pommeroy noch im Tode dafür, daß das, was er in einer anderen Sequenz von Universalzuständen erlebt hatte, auch in dieser Sequenz Wirklichkeit werden konnte. Den Ruf eines Propheten jedoch hätte er sich – selbst wenn die Sache jemals an die Öffentlichkeit gekommen wäre – damit nicht verdient. Es gab ja keinerlei Gewähr dafür, daß in dieser Sequenz auch wirklich eintreten würde, was er in der andern beobachtet hatte, wenn auch die Voraussetzungen dafür geschaffen worden waren.
An diesem Tag wurde von der SUMMER QUEEN aus eine zweite Expedition unternommen. Unter Führung des Ersten Offiziers hatte sie den nördlichen Dschungelrand abzusuchen. Die Mannschaft empfand diese Anordnung als Zugeständnis des Kommandanten, daß er Ohl Pommeroys Äußerungen doch ein wenig Bedeutung beimaß. Allerdings kehrte die Expedition am späten Nachmittag zurück, ohne auch nur den geringsten Hinweis auf die Existenz einer eingeborenen Intelligenz gefunden zu haben.
Damit war Pommeroy nun endgültig zum Wahnsinnigen erklärt worden. Die Nacht brach herein. Die Mannschaft legte sich zur Ruhe. Im Kommandostand übernahm der Zweite Offizier die erste Wache. Kurz vor Mitternacht wurde er von Fauchet abgelöst. Fauchet pflanzte sich in den Sessel des Piloten und beobachtete aufmerksam den Bildschirm. Die Umgebung der SUMMER QUEEN war mit Infrarot-Strahlern ausgeleuchtet. Es war das erste Mal, daß Semmering Fauchet eine Nachtwache übernahm. Mit höchstem Interesse verfolgte er das Aufwachsen palmenähnlicher Pflanzen, die plötzlich aus dem Boden zu schießen schienen und innerhalb weniger Sekunden eine Höhe von etwas über zwei Metern erreichten. Immer mehr Pflanzen trieben aus dem Boden hervor, immer näher an das Raumschiff heran rückte die Grenze des merkwürdigen Waldes, der aus zwei Meter hohen Palmen bestand.
Unruhig erinnerte sich Semmering Fauchet an die Beschreibung der Eingeborenen, die Ohl Pommeroy auf dem Rückflug von der Urwaldlichtung abgegeben hatte. Besorgt musterte er den Statusanzeiger der Schiffszugänge. Er atmete auf, als er sah, daß alle Luke ordnungsgemäß geschlossen waren. Und doch erschrak er bis auf den Grund seines Herzens, als er hörte, wie sich hinter ihm das Schott öffnete.
Auf der Schwelle stand ein dürres, grünhäutiges Geschöpf – genau, wie Ohl Pommeroy es beschrieben hatte. Die Augenstiele vibrierten vor Erregung. Fauchet wollte schreien, aber er brachte vor Angst keinen Laut hervor, noch vermochte er sich zu bewegen. Eine kleine Schar von Grünhäutigen drang fast geräuschlos in den Kommandostand ein. Sie trugen primitive, hölzerne Knüppel, mit denen sie Semmering Fauchet erschlugen, bevor er sich wehren konnte.
Sie verfuhren sehr geschickt. Stets nahmen sie sich nur ein einzelnes Besatzungsmitglied vor. Der erste Schlag raubte ihm das Bewußtsein, so daß es nicht schreien konnte. Der Rest war einfach. Die Chamäleoniden brauchten knapp zwei Stunden, um die gesamte Mannschaft der SUMMER QUEEN zu töten. Dann zogen sie wieder ab. Ihre Aufgabe war beendet. Sie hatten sich der fremden Eindringlinge erwehrt.
3. Teil
ES MUSS
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