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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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«Jugendwerkstatt» zumindest Kitas und Kinderkrippen. Uwe Mundlos ist stolz darauf, dass sie sich nicht unterkriegen lässt. Morgens fährt er sie mit seinem Gebrauchtwagen zur ABM-Stelle und später dann in die Gärtnerei «Auerbach» im zehn Kilometer entfernten Laasdorf. Hier beginnt Beate Zschäpe Ende 1992 eine Lehre als Gärtnerin, Fachrichtung Gemüsebau.
    Auf ihre Nachbarn wirkt Beate Zschäpe offen und freundlich. Sie trägt ihre dunkelbraunen Haare schulterlang, dazu Jeans, T-Shirt und Lederjacke, ganz normale Kleidung. Bekannte beschreiben sie als lebenslustig und als «ein liebes, nettes, aufgeschlossenes Mädel».
    Aber sie kann auch anders. Als es zu einer Schlägerei in einer Bar kommt und sich die Türsteher Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vornehmen, zieht sie einem der Sicherheitsleute eine Bierflasche über den Kopf. Auch Menschen gegenüber, die nicht ihrer politischen Meinung sind, tritt die junge Frau sehr aggressiv auf, prügelt sich auch schon mal. Als eine Punkerin sie während einer Zugfahrt «blöd anguckt», habe ihr Beate «direkt eine reingehauen», sagt ein Kamerad von damals, der dabei war.
    Einmal ist Weihnachtsmarkt in Jena. Eine Horde junger Neonazis nutzt das Getümmel, um linke Jugendliche zu überfallen. Die Linken flüchten, eine Nazianhängerin jagt eine Punkerin durch die Stadt, wirft sie auf den Boden und tritt ihr immer wieder brutal auf die Hand. Der gebrochene Arm des Mädchens wird im Krankenhaus behandelt. Augenzeugen erzählen später, die Angreiferin sei Beate Zschäpe gewesen.
    Ein Jugendrichter verurteilt sie Anfang der neunziger Jahre wegen Diebstahls zu Sozialstunden. Zschäpe nimmt die Strafe an und leistet die Stunden ordnungsgemäß ab – im «Winzerclub», wo sie kurz zuvor erst eingebrochen ist.

13
    Der zweite Mann
    Irgendwann taucht Uwe Mundlos nicht mehr allein oder mit seiner Freundin auf der Freifläche des «Winzerclubs» auf – sondern mit einem neuen Freund. Wann genau das war, daran kann sich Streetworker Thomas Grund nicht mehr erinnern. Es muss wohl in der zweiten Hälfte des Jahres 1992 gewesen sein.
    Von diesem Tag an hat Mundlos stets einen vier Jahre jüngeren Kumpel im Schlepptau. Uwe Böhnhardt. Er ist ein schlaksiger Typ mit abstehenden Ohren, der eine schwarz-weiße Flecktarnhose, Springerstiefel und eine grüne Bomberjacke trägt.
    Die beiden Nachwuchsnazis haben sich wohl über Beate Zschäpe kennengelernt. Diese hatte in der Zeit ihre ABM-Stelle in der Jenaer «Jugendwerkstatt» und traf dort den stadtbekannten Neonazi André K. Über den «Dicken», wie K. in der Szene wegen seines Gewichts genannt wurde, lernte sie wiederum eines Tages Uwe Böhnhardt kennen.
    Obwohl Böhnhardt viel jünger ist als seine neuen Freunde Zschäpe und Mundlos, hat er zu diesem Zeitpunkt bereits eine beachtliche kriminelle Karriere hinter sich und ist von mehreren Schulen geflogen. Körperverletzung, Erpressung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Diebstahl, Einbruch, Fahren ohne Führerschein.
    Uwe Böhnhardt wird als jüngster von drei Brüdern in eine solide Mittelschichtsfamilie geboren. Der Vater ist Ingenieur bei Schott, die Mutter arbeitet als Grundschullehrerin.
    «Er war unser Jüngster, Kleinster, das Nesthäkchen», sagt die Mutter, Brigitte Böhnhardt, heute. «Er war unser Liebling, er hatte immer ein gutes Verhältnis zu uns, er war immer höflich.» Die kleine Familie hat Glück und darf eine Vier-Zimmer-Neubauwohnung in Jena-Lobeda beziehen. Das Viertel gilt als Vorzeigesiedlung. Sie bekommen eine Wohnung in der 7. Etage eines Elfgeschossers zugeteilt, mit Fernwärme, warmem Wasser aus der Leitung und zwei Balkonen. Einen davon hat Uwes Kinderzimmer.
    «Uwe war ein lebhaftes Kind, das vielleicht auch mal auffällig war und Dummheiten gemacht hat», sagt seine Mutter. «Das Lernen in der Schule ist ihm von Anfang an nicht so leichtgefallen.»
    Meistens fällt er im Schulhort nicht groß auf, außer wenn es Streit unter den Kindern gibt. Eine Erzieherin erinnert sich, dass er Konflikte schon früh immer mit Gewalt lösen wollte, mit seinen Fäusten. In dieser Zeit stirbt sein größerer Bruder. Bis zur Wiedervereinigung bringt Böhnhardt passable Noten mit nach Hause. 1991 muss er wegen der Schulreform jedoch die Schule wechseln, er kommt auf eine Realschule. Mit 14 Jahren verliert er so von einem Tag auf den anderen all seine Freunde, die jetzt auf andere Schulen und Gymnasien gehen. «Er fühlte sich in der neuen Schule nicht wohl, dachte,

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