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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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Entscheidung wird zum Erfolgsrezept der Partei: «Damit wurde die NPD von einer muffigen Altherrenpartei zu einer dynamischen, jungen Bewegung – begleitet und beschützt von Straßenkämpfern, die im Zweifelsfall auch zuschlagen», analysiert die Wochenzeitung Die Zeit .
    Für Nachwuchsnazis gibt es jetzt zwei Optionen: Entweder sie versuchen, sich mit der NPD als «Wolf im Schafspelz» in der Mitte der Gesellschaft zu positionieren: in Freiwilligen Feuerwehren, Vereinen und Parlamenten – oder sie radikalisieren sich und gehen in die militante Richtung.

    Nach drei Jahren in einem Gartenbaubetrieb in Laasdorf hat Beate Zschäpe im Herbst 1995 ihre Ausbildung als Gärtnerin, Fachrichtung Gemüsebau, beendet. In ihrem Abschlusszeugnis steht als Note: «Befriedigend». Die Gärtnerei «Grünes Herz» übernimmt sie nicht, Zschäpe wird arbeitslos.

    «Vorsicht, Bombe!» heißt es auf zwei Verkehrsschildern, die auf einer Autobahnbrücke bei Jena stehen. Von der Brücke herab baumelt vier Meter über der A 4 bei Bucha eine Puppe an einem gelben Seil. Es ist der 13. April, als ein Autofahrer sie bemerkt und um 1:20 Uhr die Polizei anruft.
    Als die Beamten an der Brücke eintreffen, sehen auch sie zuerst die Puppe, die ein rotes Kapuzensweatshirt anhat, auf das gelbe Davidsterne mit dem Wort «JUDE» aufgenäht wurden. Über einem Körper aus Zeitungen trägt die Puppe zudem eine blaue Jogginghose. Dann aber bemerken sie zwei eckige Blechdosen, aus denen Drähte herausragen. Diese Kisten sind durch ein Elektrokabel mit dem Puppentorso verbunden, der am Hals über der Autobahn hängt. Bombenentschärfer beschießen die Kisten, aber sie explodieren nicht. Lediglich Steine und Zeitungspapier fallen heraus.
    An dem Tag, an dem diese Bombenattrappe gefunden wird, gedenkt die Bundesrepublik im nahegelegenen Konzentrationslager Buchenwald der Befreiung des Lagers vor 51 Jahren. Als Gast wird neben vielen Buchenwald-Überlebenden auch der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, erwartet.

    Uwe Böhnhardt beendet seine Ausbildung als Hochfacharbeiter beim Berufsförderungswerk Bau Thüringen e.V. und findet gleich eine Stelle als Maurer bei einer Firma für Bautenschutz im Jenaer Umland. Böhnhardt spezialisiert sich auf Außensanierungen und verputzt Häuser gegen Nässe. Nach einigen Wochen wird er Ende August 1996 wieder entlassen. «Zuerst war er so stolz drauf, dass er eigenes Geld verdient hat», sagt seine Mutter, «dann war er aber enttäuscht, weil er so schnell entlassen wurde.»
    Brigitte Böhnhardt lässt ihm die schlechte Laune jedoch nicht durchgehen. Immer wieder durchsucht sie die Stellenanzeigen in der Lokalzeitung für ihren Sohn oder fragt bei Bekannten, ob nicht jemand einen Job für ihn habe. Als der Berater auf dem Arbeitsamt erklärt, dass man als Maurer ein Auto brauche, um auf die Baustellen zu kommen, bezahlen die Böhnhardts ihrem Sohn den Führerschein und kaufen ihm einen gebrauchten Hyundai Lantra. Sie hoffen, dass Uwe keine Zeit und Muße mehr für seine rechten Freunde hat, wenn er erst einmal ständig auf Montage unterwegs ist und körperlich hart arbeitet. «Also, wir haben alles versucht, wobei das Auto dann auch wieder anders benutzt worden ist», sagt Brigitte Böhnhardt.

    Als im Thüringer Landtag in Erfurt am 21. Juni 1996 ein Abgeordneter der PDS die These vertritt, dass die Kommunen in Thüringen die Gefahr durch Neonazis unterschätzen und nicht genug gegen Rechtsradikale unternehmen, wird er durch den Zwischenruf eines Abgeordneten der CDU unterbrochen: «Das ist ja unerhört, was Sie hier behaupten!» Der PDS-Abgeordnete spricht weiter. «Nach den Angriffen rechtsextremer Skinheads in Buchenwald, denen die Polizei zunächst tatenlos zugesehen hatte, wurde im September 1994 ein großer Teil …» An dieser Stelle wird wieder Protest laut, der Redner wird erneut unterbrochen: «Deshalb ist es trotzdem unerhört, was Sie den Kommunen unterstellen», rufen Politiker anderer Parteien und: «Wie oft wollen Sie denn das noch aufwärmen?»
    Im Verlauf der Debatte um neofaschistische Tendenzen unter Thüringer Jugendlichen wird der PDS-Abgeordnete noch mehrfach durch Zwischenrufe unterbrochen. «Die Jugendlichen zu beleidigen, das ist eine Unverschämtheit!» Dann fordert der PDS-Parlamentarier, dass die staatlichen Behörden mehr gegen Neonazis unternehmen: «Man sollte bloß nicht alle kleinen Auswüchse immer anfangs herabspielen und dann vielleicht die

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