Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
einem Café von der Idee, den Vorwurf «Bildung einer terroristischen Vereinigung» fallenzulassen. «Nach unserem Gespräch hatte ich den Eindruck, dass Frau Böhnhardt sehr angetan war von dem Angebot», erinnert sich Thaut.
Im Dezember 1998 sendet der Thüringer Geheimdienst einen Brief an den Rechtsanwalt, in dem der Verfassungsschutz ihm zusichert, während der Verhandlungen mit dem Flüchtigen weder ihn noch die Böhnhardts zu überwachen.
Brigitte und Jürgen Böhnhardt sind erleichtert, als sie 1999 eines Tages wieder einen Zettel in ihrem Briefkasten finden. Kurz zuvor hat ein Polizist des LKA bei einem Besuch zu ihnen gesagt: «Wenn sich die Kinder nicht stellen, werden wir sie aufspüren, und dann werden wir von der Schusswaffe Gebrauch machen.» Diesmal stehen auf dem Zettel die Adresse eines Parks in Chemnitz, ein Datum und eine Uhrzeit. Hier wollen sich Mundlos, Zschäpe und ihr Sohn mit ihnen treffen.
«Die Treffen waren für alle Seiten nicht leicht. Man war vorher schon furchtbar aufgeregt, ob alles klappt, ob wir keinen Fehler gemacht hatten», sagt Brigitte Böhnhardt. «Unsere größte Angst war, dass wir beobachtet werden und wir praktisch die Polizei auf ihre Spur führen. Und genau das wollten wir nicht, wir wollten ihnen helfen, aber nicht die Verräter sein.»
Als die Eltern in der sächsischen Stadt ankommen, trauen sie ihren Augen nicht: Die drei stehen wirklich am vereinbarten Platz. Mehrere Stunden sprechen die Böhnhardts mit den Untergetauchten. In dem öffentlichen Park drehen sie ihre Runden, Stunde um Stunde. Ein Mitglied des Trios läuft stets voraus und checkt die Lage, die anderen plaudern mit den Eltern. Sie reden viel über Alltägliches, wie Zschäpe die Wohnung eingerichtet hat, die Katzen. Immer wieder versuchen die Eltern aber auch, die drei davon zu überzeugen, sich doch zu stellen. «Wir helfen euch, das kriegen wir irgendwie hin», redet Brigitte Böhnhardt auf das Trio ein. «Wir unterstützen euch finanziell, und wir suchen euch eine Wohnung.»
Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe hören sich die Bitten an. Aber sie sind misstrauisch. Sie fürchten, über die Eltern in eine Falle des LKA gelockt zu werden. «Wir sagen nicht gegen unsere Freunde aus», entgegnet Uwe Mundlos.
Bei ihrem ersten geheimen Treffen mit dem Trio im Untergrund berichten Brigitte und Jürgen Böhnhardt auch vom Angebot des Verfassungsschutzes. Kurz bevor sie wieder fahren wollen, willigen zwei Gruppenmitglieder in den Deal ein: «Uwe und Beate haben gesagt, sie würden sich stellen», sagt Mutter Böhnhardt später. Nur Uwe Mundlos ist noch dagegen. «Zu dem Zeitpunkt war er nicht bereit. Da waren also nur Uwe und Beate bereit.»
«Ich wollte sie am liebsten gleich mit nach Hause nehmen», erinnert sich Jürgen Böhnhardt, der Vater.
Brigitte Böhnhardt organisiert einen Anwalt für Beate Zschäpe. Das Trio gibt ihr den Tipp, sich an den NPD-Justiziar und bekannten Szeneanwalt Hans-Günter Eisenecker zu wenden. Ralf Wohlleben fährt daraufhin zu Eisenecker, dieser ist interessiert, Beate Zschäpe zu vertreten, Wohlleben möge eine Vollmacht von ihr beibringen. Und Geld für das Rechtsanwaltshonorar. Als Einstiegshonorar verlangt er 800 DM. Brigitte Böhnhardt bezahlt die Summe für Beate Zschäpe.
Im März 1999 schreibt Anwalt Eisenecker an die Staatsanwaltschaft Gera und beantragt Akteneinsicht. Seinem Brief legt er eine schriftliche Vollmacht seiner Mandantin bei. Die Staatsanwaltschaft gibt ihm jedoch keine Akten heraus, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.
Rechtsanwalt Gerd Thaut überbringt die gute Nachricht der Staatsanwaltschaft Gera. Die Eltern wollen alles tun, damit sich das Trio stellt, und es sieht gut aus. Aber es kommt nicht zu dem Deal. Wenige Tage nach seinem Besuch erhält Thaut einen Anruf vom leitenden Oberstaatsanwalt, der mit solch einer Vereinbarung nicht einverstanden ist. Er weiß nicht, dass Rechtsanwalt Thaut vom Verfassungsschutz beauftragt wurde, und glaubt, der Anwalt handele nur im Auftrag der Familien. Vorzugsbehandlung für Rechtsradikale lehnt der Oberstaatsanwalt strikt ab. «Die Eltern wollten die vollständige Einstellung des Verfahrens. Dazu war ich nicht bereit», sagt der Oberstaatsanwalt.
«Ich bin vom Verfassungsschutz beauftragt worden, nicht von der Familie», sagt Rechtsanwalt Thaut heute. «Ich bin davon ausgegangen, dass die Staatsanwaltschaft davon Kenntnis hatte.»
Gerd Thaut rechnet die 160 Kilometer für die Fahrten zu Familie
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