Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
lachten, bis es dunkel wurde.» Auch andere Nachbarn seien dabei gewesen, sogar der Hausmeister habe sich manchmal dazugesetzt.
Eine andere Nachbarin, Sandra Mayer, erinnert sich an «das schönste Erlebnis» mit «Liese», das sie «so schnell nicht vergessen werde». Als Sandra Mayer 2010 Geburtstag hat, kommt Beate Zschäpe zur Feier vorbeigeradelt: «Wir haben um halb vier schon angefangen, ein bisschen was zu trinken, und haben natürlich um vier dann schon den ganzen Aldi-Parkplatz von unserem Hof aus unterhalten.» Sie singen laut Schlager, tanzen im Hof. «Die vom Aldi kamen bloß raus und haben gegrinst, viele haben uns einen Vogel gezeigt, aber das war schön, und das haben wir eben bis abends gemacht.»
Keine der Frauen im Haus hat Beate Zschäpes Telefonnummer, sie kennen nicht einmal die neue Adresse der ehemaligen Nachbarin genau. Zschäpe möchte selbst entscheiden, wann sie Kontakt zu den Frauen hat. Manchmal kommt sie wochenlang nicht in der Polenzstraße vorbei, in anderen Wochen ist sie jeden zweiten Tag zu Besuch.
Bei ihrem letzten Besuch 2011 ist Beate Zschäpe anders, als die Freundinnen sie kennen. Als sie um 18 Uhr die Wohnung betritt, fällt den ehemaligen Nachbarinnen auf, dass Zschäpe ruhiger ist als sonst, stärker in sich gekehrt. «An dem Abend war irgendwie der Wurm drin», sagt Sandra Mayer. Heute denkt sie, dass Zschäpe ihr eventuell etwas sagen wollte. Aber sie bleibt stumm. Am Ende des Abends will Zschäpe gar nicht gehen: «Wir haben uns ewig lange in den Armen gelegen, und wir haben diesmal auch geweint, alle beide», erinnert sich Mayer.
Drei Wochen vor diesem letzten Besuch Zschäpes hatten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt – nach fast fünf Jahren Pause – wieder eine Bank überfallen.
Am 7. September 2011 gegen 8:51 Uhr betreten Mundlos und Böhnhardt die Sparkassenfiliale in der Goethestraße in Arnstadt – einem Ort im Thüringer Wald, nicht weit entfernt von Ilmenau, wo Uwe Mundlos in den Neunzigern drei Jahre lang versuchte, sein Abitur nachzuholen. Vor dem Überfall haben sie die Filiale ausgespäht, auf eine handschriftliche Skizze mit der Raumaufteilung der Sparkasse haben sie «Arnstadt TOP Gebäude!» geschrieben. Als Mundlos und Böhnhardt in die Sparkasse stürmen, ziehen sie ihre Waffen.
Mit zwei Pistolen und einer Handgranate fordern die Männer: «Das ist ein Überfall. Geld her!» Mit besonderer Brutalität wollen sie das Geld erpressen. Einer der Täter schlägt einer Kassenangestellten ein Telefon auf den Kopf, sie wird dabei schwer verletzt, muss im Krankenhaus behandelt werden. Am Ende erbeuten die beiden Männer 15000 Euro und flüchten auf Fahrrädern.
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Vorbereitungen
Am 14. Oktober 2011 fahren Uwe Böhnhardt und eine Frau aufs Land. Sie besuchen das Geschäft von Silvio Grebe im vogtländischen Dorf Schreiersgrün. Grebe vermietet Wohnmobile, hauptsächlich an Familien. In der Region kennt fast jeder den Parkplatz mit den vielen weißen Wohnwagenanhängern und Campingmobilen, allzu viele Caravanvermietungen gibt es dort nicht. Grebes Geschäft besteht darin, fabrikneue Wohnmobile eine Saison lang zu vermieten und am Ende des Sommers zu einem günstigen Preis weiterzuverkaufen.
Mitte Oktober will er die Vermietung für dieses Jahr eigentlich schon einstellen, aber der überraschende Besuch des Paares kommt ihm sehr gelegen. Zwei Caravans hat er bisher noch nicht verkaufen können, und einer von ihnen ist noch nicht abgemeldet und damit straßentauglich.
Silvio Grebe ist ein wenig mulmig zumute, als der unbekannte Mann ihn fragt, ob er einen Camper für fast zwei Wochen mieten kann. «Ich hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl, ohne dass ich das näher beschreiben könnte», sagt Grebe, «der Mensch kam mir nicht ganz geheuer vor.» Doch als der Kunde die Reservierungsanzahlung von 316 Euro sofort in bar begleicht, willigt Silvio Grebe ein. Das Geschäft am Ende der Saison nimmt er gern noch mit.
Elf Tage nach der Reservierung rollt ein dunkles Familienauto mittags gegen 12 Uhr auf den Caravanhof und stoppt genau vor den Scheiben des Flachbaus. Uwe Böhnhardt, eine Frau und ein kleines Kind im Vorschulalter steigen aus dem Wagen. Es ist nicht viel los an diesem Dienstag: Die Angestellten arbeiten im Büro, der orangefarbene Tresen ist verwaist, der Verkaufsraum leer. Im hinteren Bereich der Präsentationsfläche ist nicht einmal das Licht eingeschaltet. All die Campingvorzelte, Klapptische und die Regale mit dem Campinggeschirr
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