Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
roten Beutel. «Aber nicht das Geld mit der Farbbombe», insistiert der Räuber.
Nicht nur mit der Geldsicherung, sondern auch mit dem Aufbau der Filiale scheinen sich die beiden Bankräuber gut auszukennen. Ein paar Stunden später wird man bei ihnen einen Zettel mit einer handschriftlichen Skizze finden, auf der alle wesentlichen Details der Inneneinrichtung der Bank dargestellt sind.
Neben Schalter, Sitzbank und Schränken ist darauf auch ein Raum eingezeichnet, der den Hinweis trägt: «Vermutlich Tresor (200 € Schein geholt)». Wie die Räuber an diese Insiderinformation gekommen sind, kann nicht mit Gewissheit gesagt werden. Dieses Wissen lässt jedoch auf eine gründliche persönliche Auskundschaftung der Filiale im Vorfeld schließen. Zeugen wollen Beate Zschäpe in der ersten Novemberwoche in der Sparkassenfiliale gesehen haben.
Als eine der Angestellten alles Geld aus dem Tresor übergeben hat, stürmt der Räuber aus dem Raum. Die beiden Kassiererinnen nutzen die Chance und schließen sich hinter der Gittertür im Tresorraum ein. Eine der Frauen drückt den Alarmknopf.
Nachdem fünf Minuten lang Ruhe in der Filiale herrscht, schöpfen sie Mut und laufen als Erstes zu ihrem verletzten Chef. Er liegt noch in seiner Blutlache. Als er wieder zu sich kommt, sieht er eine Kollegin, wie sie die Rollos von innen zuzieht. In dem Moment weiß er: Die Bankräuber sind weg.
Zu diesem Zeitpunkt, gegen 9:20 Uhr, sind Mundlos und Böhnhardt bereits maskiert auf ihren Fahrrädern davongefahren. In ihrer roten Einkaufstüte befinden sich insgesamt 71915 Euro.
Vier Minuten später sind die ersten beiden Polizeibeamten bei der Sparkasse. Es herrscht große Aufregung. Sofort wird eine Ringalarmfahndung in Eisenach angeordnet. 13 Funkstreifenwagen sind im Einsatz. Alle verfügbaren Polizisten sollen Ausschau halten nach zwei Männern auf Fahrrädern.
Als zwei Beamte einen älteren Mann in der Zufahrt eines Obi-Parkplatzes stehen sehen, stoppen sie ihr Polizeiauto und vernehmen den Pensionär gleich am Straßenrand. Der Mann erinnert sich sofort, noch vor einer Viertelstunde zwei Radfahrer gesehen zu haben, die zügig zu einem auf dem Parkplatz abgestellten weißen Wohnmobil mit «V»-Kennzeichen gefahren sind. Einer der beiden hätte die Fahrräder dann schnell im hinteren Teil des Wohnmobils verstaut, der andere sei hektisch auf den Fahrersitz geklettert und habe den Motor gestartet. Sie seien dann zügig in Richtung des Kreisverkehrs am Obi-Markt Stregda gefahren.
Mundlos und Böhnhardt wissen genau, wo sie hinwollen. Sie hatten in den Tagen zuvor schon eine ruhige Wohngegend in der Nähe ausgemacht, wo sie das Wohnmobil jetzt abstellen wollen. Mit dem Funkscanner können sie über den Funkkanal der Polizei die Ermittlungsarbeit live verfolgen und könnten so erfahren, wann die Luft rein ist, um Eisenach ungefährdet wieder verlassen zu können. Nach einer Stunde endet meist die Ringfahndung der Polizei. Mit dieser Taktik hatten sie vorher schon oft Erfolg. Der Überfall in Eisenach ist bereits mindestens ihr 14. Bankraub.
Die beiden Männer nehmen eine vier Minuten entfernte Siedlung in Eisenach-Stregda ins Visier und steuern ihren Caravan in Richtung der Straße Am Schafrain, wo sie sich verstecken wollen. Schon gestern Nachmittag hatten Anwohner das Wohnmobil in dieser Straße gesehen. Andere Nachbarn wollen das Gefährt auch bereits in den Morgenstunden des 4. November um 5 Uhr und 8 Uhr bemerkt haben. Das ist Teil der Strategie von Mundlos und Böhnhardt: Sie wollen, dass es so wirkt, als stünde ihr Caravan schon eine ganze Weile in der Straße, damit er jetzt nicht mehr groß auffällt.
Gegen 9:45 Uhr parkt Böhnhardt das Wohnmobil wieder hier. Die nächsten zwei Stunden bleibt alles ruhig. Nur einmal um 10:45 Uhr läuft eine Frau am Wohnmobil entlang und wundert sich über das ungewöhnliche Auto in ihrer Straße. Ausgestattet mit Küche und Toilette können es Mundlos und Böhnhardt hier mühelos Stunden aushalten.
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Spuren verwischen
Während ihre Kameraden im vermeintlich sicheren Versteck ausharren, fährt Beate Zschäpe in Zwickau ihren Rechner hoch. Sie sitzt am Schreibtisch der konspirativen Vier-Zimmer-Wohnung der Zelle im ersten Stock der gelben Doppelhaushälfte in der Frühlingsstraße 26. Die Wohnung ist seit dreieinhalb Jahren das Zuhause des Trios. Es ist 10:34 Uhr, als Zschäpe den Startknopf ihres Laptops drückt und ein Passwort eingibt, das stark an ihren Tarnspitznamen im
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