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Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
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mich wie ausgekotzt, aber es würde mir kaum helfen, noch länger liegen zu bleiben. Also öffnete ich zögerlich ein Lid.
    Das Erste, was ich sah, war der Schatten eines Drachen. Triss blickte von einer Stelle unter der schrägen Decke, gerade ein paar Fuß über mir, kopfschüttelnd auf meinen Kopf herab. Damit war mein Schatten um neunzig Grad von der Stelle entfernt, an die das Licht ihn geworfen hätte, und offenbarte mir unverkennbar Triss’ Unzufriedenheit. Auch das erlebte ich nicht zum ersten Mal.
    »Morgen, Triss«, raspelte ich, denn meine Kehle fühlte sich an, als hätte ich Farbverdünner getrunken. »Wie geht es dir?«
    »Es ist nicht Morgen, und ich bin sehr wütend.« Seine Stimme klang so ausdruckslos wie hart, war dabei aber leise genug, meinem Kopf nicht wehzutun. Nicht sehr, zumindest. »Aber Letzteres weißt du, und Ersteres hättest du wissen müssen.«
    Er hatte recht. Mein einziges Fenster zeigte nach Westen. Sonnenschein drang zwischen den Lamellen der ramponierten Läden herein. Dem Winkel nach zu schließen, musste es fünf oder sechs Stunden nach Mittag sein. Schlechtes Zeichen. Ich nahm einen weiteren, tiefen Schluck Dünnbier und entdeckte ein weiteres schlechtes Omen. Denn als ich den Schlauch wieder verschloss und von mir warf, erklang beim Aufprall das Geklimper von Flaschen. Plural.
    »Welcher Tag ist heute?«, fragte ich.
    »Atherastag, der Zehnte Saatlege.«
    »Oh, danke.« Einen Moment hielt ich inne in der Hoffnung, die Erinnerung würde sich erbarmen und mir die nächste Frage ersparen. Aber sie ließ mich im Stich, also musste ich wohl oder übel weiterfragen. »An welchem Tag haben wir Devin gesehen?«
    Triss knurrte aus tiefster Kehle und schüttelte erneut den Kopf. »Es war die letzte Stunde des achten Tages im Saatlege.«
    »Das könnte ein Problem sein.« Ich setzte mich auf und zwang mich, die Haltung beizubehalten.
    Ich genoss es nicht gerade, aber es brachte mich auch nicht um. Mir blieben noch ungefähr fünf Stunden, um eine Entscheidung hinsichtlich des Angebots von Devin zu fällen. Nein, das stimmte so nicht. Ich kannte die Antwort bereits. Auf keinen Fall würde ich mit meinen ehemaligen Brüdern und Schwestern gemeinsame Sache machen, wenn es nicht im Dienste der Göttin geschah. Nicht, wenn sich irgendeine Allianz auf ihrem göttlichen Leichnam bildete. Nein, was ich entscheiden musste, war, wie ich mit Devin weiter verfahren sollte.
    »Ich brauche einen Schnaps«, sagte ich und schämte mich sogleich. Ich wusste, zu was ich geworden war, aber deshalb war ich noch lange nicht stolz darauf.
    »Nein«, sagte Triss. »Du willst möglicherweise einen Schnaps, aber das ist das Letzte, was du auf dieser Welt brauchst.«
    »Treffer. Was schlägst du stattdessen vor?«
    »Dass du packst und wir die Stadt verlassen und nie wieder zurückkommen.«
    Das überraschte mich. »Du denkst nicht, wir sollten Devin ausfindig machen? Devin und ... Zass gleich mit?«
    »Nein. Ich will nichts mit jemandem zu tun haben, der das Ansehen der Göttin so beschmutzt, wie die es getan haben. Ich will sie nicht töten müssen oder, wenn ich bedenke, wie du dich in den letzten Jahren hast gehen lassen, mich von ihnen töten lassen.« In seiner Stimme lag eine Menge Zorn, und das konnte ich ihm wirklich nicht zum Vorwurf machen.
    »Und warum sollen wir weglaufen?«, fragte ich. »Warum bleiben wir nicht einfach hier und ignorieren sie? Die und das verdammte Mädchen auch.« Allmählich kehrte etwas mehr Erinnerung von der Nacht zurück, in der ich Mayliens zusammengeknüllten Brief in die Ecke geworfen hatte, nachdem ich mich als außerstande erwiesen hatte, ihn zu verbrennen.
    »Das Mädchen hat dich gefunden. Denkst du wirklich, Devin könnte das nicht, wenn er es will? Oder die Elite, wenn er sich nicht selbst die Hände schmutzig machen will? Der einzige Grund, warum wir hier so lange in Sicherheit waren, ist, dass niemand geglaubt hat, wir wären närrisch genug, um nach Tien zurückzukehren, nachdem wir Tiens König gemeuchelt haben.«
    Darauf hatte ich keine Erwiderung. Stattdessen schleppte ichmich quer durch den Raum, um den Brief aufzuheben. An den Rändern, dort, wo ich ihn in die Flamme von einer von Jeriks schmuddeligen Öllampen gehalten hatte, waren Rußflecke zu sehen. Darüber hinaus gab es keinen Hinweis darauf, dass ich versucht hatte, ihn zu verbrennen. Als ich mich an den Tisch setzte, fiel mein Blick erneut auf die Vorderseite.
    Für Aral Königsmörder, den letzten

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