Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
gemacht. Ich achtete darauf, nicht zu übertreiben, denn auch das hätte mir unerwünschte Aufmerksamkeit eingebracht. Vor allem, weil Fei mich kannte. Sie kannte jeden im Schattengewerbe und hatte zu dieser oder jener Zeit mit jedem der großen Tiere, ebenso wie mit den meisten Unabhängigen, zusammengearbeitet, so auch mit mir.
Hauptmann Kaelin Fei war so etwas wie eine tienisische Institution, das perfekte Modell eines korrupten Puhlers. Sie hatte ihre Finger in jeder bedeutenden Schattenoperation der Stadt, und jeder, der zählte, wusste das, eingeschlossen Feis Vorgesetztem, dem Wachkommandanten, und dessen Vorgesetzter, der Herzogin von Tien. Vielleicht wusste es sogar König Thauvik persönlich.
Im Gegensatz zu einem normalen Bezirkshauptmann hatte Fei kein bestimmtes Gebiet, das ihrem Wachdienst unterstand, und auch keine Ermittlungsverantwortung. Ihre einzige Aufgabe bestand darin, in der Hauptstadt für stabile Verhältnisse zu sorgen. Es war beinahe überraschend, dass nicht noch mehr Orte einen Hauptmann Fei eingeführt hatten, denn die Rolle, die sie ausfüllte, trug viel dazu bei, dass sich die Einheimischen sicher und gut aufgehoben fühlten. Zumindest diejenigen, die dem Regenten wichtig waren. Feis Job war es, dafür zu sorgen, dass sich die Auseinandersetzungen auf der Schattenseite nicht über Orte wie die Stolprer oder Schmugglersruh hinaus ausbreiteten, wo sie die aufrechteren Bürger stören könnten, und zu verhindern, dass Verbrechen, die sich innerhalb der besseren Viertel ereigneten, Bürgerunruhen provozierten. Fei war gut in ihrem Job. Und sie war auch auf dem Weg zu mir.
Mist.
Ich ignorierte sie, bis sie sich mir gegenüber an den Tisch setzte. Erst dann legte ich ein breites Lächeln auf. »Kann ich Euch auf einen Trunk einladen, Hauptmann?«
»Danke, Aral, das wäre reizend.« Sie hob die Hand, um die Kellnerin herbeizurufen, und bestellte ein Glas Reiswein. »Lange her, seit ich Euch hier das letzte Mal gesehen habe.«
Das war eine versteckte Aufforderung, ihr Informationen zu liefern.
»Ich mag das Essen, aber ich habe selten genug Geld in der Tasche, um es zu genießen.«
»Aber jetzt habt Ihr es?«
»Ich würde sagen, das versteht sich von selbst.«
Der Sake des Hauptmanns wurde serviert, und sie nahm ein Schlückchen, ehe sie fortfuhr. »Schon seltsam, Ihr seht nicht aus, als hättet Ihr etwas auf der Tasche.« Sie streckte die Hand über den Tisch aus und berührte einen Fleck an meinem Ärmelaufschlag. »Ganz und gar nicht.«
Scheiße. Ich hatte die Klamotten vergessen. Zu gern hätte ich das dem Kerker und dem Todesfunken angelastet, aber die wahrscheinlichere Erklärung umfasste eher zu viele Jahre voller Sauferei und einfacher Aufträge. Mein Herz wollte schneller schlagen, aber ich zwang es, den Takt zu halten. Der Hauptmann mochte meinen Herzschlag nicht hören können, aber sie hätte die sekundären Anzeichen erkannt, hätte ich allzu nervös reagiert. Für einen kurzen Moment bedauerte ich, dass ich mir das Efik abgewöhnt hatte – eine Dosis Ruhe hätte sich in diesem Moment wirklich gut gemacht.
Rasch blickte ich mich um und senkte dann die Stimme. »Verratet es niemandem, aber ich wurde letzte Nacht plattgemacht. In meinen besten Kleidern. Hab einen netten kleinen Auftrag abgeschlossen und bin einen trinken gegangen. Und dann bin ich am falschen Ort aus den Latschen gekippt wie ein grüner Junge.«
Wenn eine harte Frage zu nahe an die Wahrheit führt, bringt man den Fragesteller am leichtesten aus der Spur, indem man ihm ein peinliches Geständnis macht, das etwas ganz anderes beinhaltet.
»Das war ein verdammt dummer Zug, ganz besonders für einen Löhner mit Eurer Erfahrung und Eurer Reputation. Sogar betrunken. Vielleicht ist es an der Zeit, dass Ihr die Sauferei ein wenig einschränkt.«
»Das ist es«, stimmte ich ihr zu, und ein leichter Druck in meinem Rücken verriet mir, dass Triss ebenso dachte. Als ichwieder das Wort ergriff, sprach ich genauso mit ihm wie mit Fei. »Ich habe letzte Nacht eine wichtige Lektion gelernt, und eine gefährliche dazu. Von jetzt an werde ich meine Trinkerei beherrschen, statt mich von ihr beherrschen zu lassen. Ich werde mich ernsthaft am Riemen reißen ...« Ich beugte mich vor. »... und ich würde es als persönliche Gefälligkeit betrachten, wenn Ihr diese Geschichte für Euch behalten könntet, Hauptmann.«
Sie nippte wieder an ihrem Reiswein und musterte mich lange und nachdenklich. »Eure Augen haben
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