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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Schulman
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den Kids aus der Schulmannschaft hatten sie ihr gebracht, als blöden Gag sozusagen. Sie machten mit ihren Mobiltelefonen Fotos von ihr, und sie posierte. Bis sie ihn erblickte. Daisy Cavanaugh in ihren viel zu engen Jeans und den UGGs, die Hand auf der Hüfte, breit in die Kamera lächelnd. Daisy Cavanaugh mit zu viel Augen-Make-up.
    Bei seinem Anblick riss sie die Augen auf, zwei unendliche Löcher, roh und zerklüftet, wie zwei Wunden, die nie heilen würden. Jake wurde schon allein vom Hinsehen schwindlig, als würde er, wenn er zu nahe kam, ebenfalls durch diesen Brunnenschacht der Pein in hoffnungsloses Elend stürzen. Er war der Urheber ihrer Pein, das wusste er. In diesem Augenblick wurden in ihm die Zwillingsgottheiten geboren, die ihn für den Rest des Lebens begleiten würden: die berauschende Erkenntnis seiner eigenen Kräfte und ein vernichtendes Schamgefühl. Beide verblassten vor dem Verlangen, sich selbst zu retten.
    Daisy schaute ihn an und streckte die Zunge heraus.
    » Vielen Dank auch«, sagte sie. Ihre Stimme zitterte.
    Dann ging das, was sich in ihrem Innern geöffnet hatte, gleich wieder zu, und sie signierte weiter ihre Baseballschläger. Gab den Leuten, was sie verlangten.
    Sie war jetzt berühmt. Er hatte sie berühmt gemacht. Sie signierte die Schläger und hatte dabei ein breites, gewinnendes Lächeln im Gesicht.

Kapitel 4
    F rüher war er ein Goldjunge.
    Heute ist er ein Mann, dem man das Gold zu Füßen legte. Der gutaussehende, clevere, silberhaarige Richard. Richard mit fünfundvierzig, mit den immer noch straffen Bauchmuskeln und den sehnigen Läuferbeinen. In dem Pepitamuster-Sakko und den schwarzen Jeans, dem frischen weißen Hemd. Richard, der Selfmademan mit seiner unheimlich coolen, jugendlich-lässigen Eleganz. Gerade ist er am Telefon, am Telefon mit seiner völlig aufgelösten Frau Lizzie, mitten in einer der wichtigsten Besprechungen seiner Karriere, und bleibt ganz ruhig. Die meiste Zeit seines Lebens war Richard Bergamot gegen Scheitern allergisch. Und hat jetzt nicht vor, eine Umkehr des Schicksals zuzulassen.
    Er sitzt da, eine Hand um seinen BlackBerry geschmiegt, die Linke mit dem schlichten goldenen Ehering, diesen langen »Klavierspielerfingern«, die alte Timex seines Vaters als Glücksbringer ums Handgelenk. Den Ledersessel hat er gerade weit genug gedreht, um wegzuzeigen von der eklektischen Gruppe von Gegnern und Befürwortern, die er mittels monatelanger behutsamer Diplomatie zusammenführen konnte, aber nicht so weit, um Autorität und Kontrolle aufzugeben.
    Wie komme ich aus diesem Debakel bloß raus?, überlegt Richard und wirft einen Seitenblick auf die Versammlung – durch lange, dunkle Wimpern, die manchmal so lächerlich dicht wachsen, dass sie ihm tatsächlich die Sicht verdunkeln und »flattern«, wenn er zwinkert. Ein Phänomen, an das Richard sich mit der Zeit gewöhnt hat, obwohl er sie als Kind mit der Nagelschere gestutzt hatte, weil er das Geflüster der Damen in seiner Kirche nicht mehr hören konnte: »Jammerschade – so was an einem Jungen.«
    Eine geballte Anstrengung war nötig gewesen, bis alle Beteiligten dieser Zusammenkunft zugestimmt hatten – die West Harlem Development Corporation, die Nachbarschaftsaktivisten, die jammernden Collegestudenten, die schön ondulierten Gattinnen diverser Philanthropen, die örtlichen Elternbeiräte, Richards eigenes Expertenteam –, außerdem endlose Schmeicheleien und Überredungskünste, um Bertram Anderson, den altgedienten Abgeordneten, dazu zu bewegen, dass er seine Büroräume in Harlem für diese Besprechung kostenlos zur Verfügung stellte. Doch es hat alles geklappt. Diese scheinbar gigantische Aufgabe war vollbracht.
    Die diversen gegnerischen Fraktionen sind nun anwesend und in Berts Konferenzraum einträchtig versammelt um seinen langen, gekerbten Holztisch mit den ziemlich abgenutzten, zum Glück drehbaren schwarzen Ledersesseln, den welkenden Blumen, beschlagenen Wassergläsern und gebundenen Exemplaren sämtlicher von Richard entwickelten Planungsdetails, Tabellen und Entwürfen. Vor ihm ist die PowerPoint-Präsentation, die er erstellt hat, und sein Laptop, der bei Richard überall mit dabei ist wie ein Schoßhündchen oder ein Extra-Hirnlappen. Ein leichter Duft von Geschäftigkeit liegt in der Luft, moschusgeschwängerte Hautausdünstungen, vermischt mit dem Aroma verschiedener Parfums und Deodorants. Es ist das olfaktorische Hintergrundgeräusch von Besprechungen, wenn sie einmal in

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