Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
sammeln, während sie die Ereignisse schilderte. Sie habe hinter einer Trennwand hervorgelugt, weshalb der Fremde sie nicht sofort bemerkte. Er sei, ohne den Hohepriester weiter zu beachten, mit gezogenem Schwert geradewegs zu Xydia gelaufen. »Bist du die Nebelwächterin?«, herrschte er sie an. Sie reckte ihm mutig das Kinn entgegen und antwortete, er sei ein Verräter und habe kein Recht, solche Fragen zu stellen. Leise und kalt wiederholte er: »Bist – du – die – Nebelwächterin?« Er betonte jedes einzelne Wort, das letzte spritzte wie Gift aus ihm heraus. »Und wenn es so wäre?«, entgegnete Xydia kühl. »Dann müsstest du sterben«, antwortete er und stieß ihr im selben Moment sein Schwert in den Leib.
Taramis ließ den Kopf sinken und presste sich die Faust gegen die Stirn. Er konnte sich kaum beherrschen, nicht in lautes Klagen auszubrechen. Der Zorn auf den Mörder brannte wie Feuer in seinem Gebein. So mussten sich Menschen fühlen, die der Stab Ez entflammt hatte. »Warum?«, presste er zwischen bebenden Lippen hervor.
»Ich weiß es nicht«, hauchte seine Mutter. Einmal mehr sammelte sie Kraft, ehe sie ihre Schilderungen stockend fortsetzte. »Als … Als Purgor dein Mädchen kaltblütig niederstach, entrang sich mir ein Laut des Entsetzens. So …« Sie röchelte nach Luft.
Taramis schob seinen Arm unter ihre Schultern und richtete sie behutsam auf. Naría flößte ihr mithilfe eines getränkten Leinentuchs tröpfchenweise etwas Wasser ein.
Danach konnte Lasia besser atmen und sie fuhr flüssiger fort zu berichten, wie der Mörder sie hinter der Trennwand bemerkt hatte. Mit wenigen flinken Schritten sei er bei ihr gewesen und habe ihr wortlos ein Antischschwert in den Leib gerammt. Sie schluckte schwer. »Dieser Mensch scheint genau zu wissen, dass unser Blut ihn töten kann, so vorsichtig verrichtete er sein Werk. Im ersten Moment spürte ich kaum etwas. Ich hoffte, er habe mich nur leicht verletzt, ließ mich fallen und stellte mich tot.«
»Woran hast du erkannt, dass es eine dagonisische Klinge war?«
»An der Verzierung des Knaufs«, antwortete sie mit einem Aufflackern ihres alten Temperaments. »Wer sonst schmückt seine Waffen mit dem Antlitz eines Feuerfisches, wenn nicht ein Dagonisier?« Sie rang keuchend nach Luft. »Möge Gott ihn für den Mord bestrafen!«
Und ich werde das Richtschwert sein, das ihn zu Tode bringt , dachte Taramis. »Sind Eli und Shúria auch …?« Er wagte die schreckliche Ahnung nicht auszusprechen.
»Nein«, flüsterte seine Mutter erschöpft. »Er …« Sie rang nach Atem.
Er strich ihr besorgt über die schweißnasse Stirn. »Das Reden strengt dich zu sehr an. Warte, bis es dir besser geht.«
Sie wollte nicht auf ihn hören. Der Mann mit dem Feuerfischschwert habe Eli und sein Mädchen umbringen wollen, schilderte sie die Ereignisse stockend und mit schwächer werdender Stimme. Nachdem er sich von ihr, Lasia, abgewandt hatte, zerrte er Shúria aus ihrem Versteck und stellte ihr dieselbe Frage: »Bist du die Nebelwächterin?« Bevor sie antworten konnte, kam ein Malonäer mit einem silbrig schimmernden Umhang durch das Bronzetor. Er verlangte lautstark, dass der falsche Pilger den Hohepriester und seine Tochter herausgeben solle. Ein hitziger Wortstreit entbrannte. Der Verräter forderte den Tod der ganzen Familie. Nach einigem Hin und Her befahl Dov seinen Männern: »Nehmt den Chohén und seine Tochter mit.« Er benutzte den alten Titel für den höchsten Priester Gaos. »Wenn der Spion Schwierigkeiten macht, dann blast ihm etwas Qimmosch in die Nase. Das wird ihn daran erinnern, dass er eigentlich ein Kiemenatmer ist.« Er wandte dem Verräter den Rücken zu und verließ den Tempel.«
»Bist du sicher, dass der Name des Silbermantels Dov war?«
Sie schwieg, atmete nicht einmal mehr.
»Mutter?!«
Ihre Brust erbebte. Rasselnd füllte sie ihre Lungen mit Luft. »Ja. Purgor hat ihn Dov genannt. Das bedeutet …«
»… Bär, ich weiß, Mutter. So heißt der König der Kirries. Ich habe gerade gegen ihn gekämpft. Er ist mir erwischt.«
Lasia schloss die Augen. Ihre leise Stimme ging im allgemeinen Murmeln, Klagen und Weinen, das im Gewölbe widerhallte, fast unter. »Dann muss … muss der Überfall auf Jâr’en mehr als ein gewöhnlicher Raubzug sein.«
Das Gefühl hatte Taramis spätestens, seit er im Hof die umgestürzte Säule des Bundes gesehen hatte. »Was hat Dov mit Eli und Shúria vor? Sagte er irgendetwas darüber?«
Sie
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