Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
Tür erreichte, schnappte die Falle zu. Zu beiden Seiten traten hinter den Bronzetoren Antische hervor und schossen gleichzeitig ihre giftigen Stachel auf ihn ab. Er hechtete nach vorne, fing seinen Sturz mit dem Schild ab und rutschte einige Schritte weit auf dem Krötenpanzer über die Steinplatten. Lähmende Dorne zischten über ihn hinweg.
Taramis verlagerte den Körperschwerpunkt, um sich abzurollen und rechtzeitig vor dem Anführer wieder auf die Beine zu kommen. Schon wollte er seinen Stab nach vorne schnellen lassen, als er ein Brennen im Nacken spürte.
Er rollte zwar herum, konnte sich aber nicht mehr aufrichten. Sein ganzer Körper schien sich mit flüssigem Blei zu füllen. Die Hand mit dem Stab fiel schwer nach unten. Den Stachel aus dem Hals zu reißen, vermochte er ebenfalls nicht. Antischgift! Die Wirkung stellte sich ungleich schneller ein als bei dem Unterwasserkampf gegen Gulloth. Beinahe so lähmend wie das Sekret selbst war der Gedanke, den Fischköpfen wehrlos ausgeliefert zu sein.
Einen Moment lang schwankte er auf allen vieren und blickte benommen zu dem Dagonisier auf. Mit dem hellen Licht im Rücken blieb dieser nur eine Silhouette. Ohne es verhindern zu können, musste Taramis mit ansehen, wie der Riese seinen Stiefel auf den Stab stellte.
»Ich bin General Natsar«, sagte er mit überraschend angenehmer Stimme. »Und Ihr seid Taramis, wenn ich mich nicht irre, die lebende Legende. Ich muss zugeben, nie einen solchen Krieger gesehen zu haben wie Euch. Nur das Gerücht von Eurer Unbesiegbarkeit scheint mir etwas übertrieben.«
Mit dem unbändigen Willen, der in seinem erlahmenden Körper wie ein eingesperrtes Raubtier tobte, versuchte Taramis den Stab loszureißen. Nichts. Er nahm seinen Geist zu Hilfe. Tatsächlich ruckte Ez unter dem Fuß des Antisch ein Stück über den Boden.
Der General zückte sein Schwert. »Gebt endlich auf.«
»Niemals!«, presste Taramis zwischen den Zähnen hervor. Speichel tropfte ihm aus dem Mund. Mit Mühe konnte er den Blick heben und den Antisch trotzig anblitzen. Dabei bemerkte er einen Feuerfischkopf am Knauf der dagonisischen Waffe. War Natsar der Mörder Xydias und seiner Mutter?
Der Gedanke zerstob jäh unter einem dumpfen Schlag. Taramis sackte zusammen und meinte, sprühende Funken zu sehen. Seltsamerweise spürte er keinen Schmerz, obwohl der Antisch ihm die flache Seite der Klinge gegen die Schläfe geschlagen hatte. Hilflos musste er sich von ihm auf den Rücken drehen lassen. Der Dagonisier beugte sich zu ihm herab.
»Muss ich Euch erst ins Haus der Toten schicken?« Seine Stimme schien aus weiter Ferne zu hallen.
Nur, wenn du mitkommst! Taramis zerbiss sich die Unterlippe. Als er das warme Blut schmeckte, holte er tief Luft. Er würde seinen letzten Atemzug dazu nutzen, Natsar eine Lektion zu erteilen: Antischgift lähmte nur, das der Zeridianer indes war tödlich.
Plötzlich stach der General zu. Er ließ seine Klinge nur kurz nach unten zucken und zog sich sofort wieder zurück.
Taramis war zu überrascht, um gleich zu begreifen, was da geschehen war. Erst als er sein Blut an der Schwertspitze sah, glaubte er zu verstehen. So mussten Xydia und seine Mutter gestorben sein. Bestimmt hatten sie Schmerzen gelitten. Er dagegen spürte nichts. Ihm wurde lediglich schwarz vor Augen, ehe er die Besinnung verlor.
Xydias Vermächtnis
I m Schoß des Todes zu liegen, kann nicht so unbequem sein . Mit diesem Gedanken meldete sich Taramis’ Geist zurück, während er allmählich in die höheren Sphären des Bewusstseins aufstieg. Er lag auf einem harten Untergrund, Arme und Beine gefesselt, mit den Kiemen atmend. Die drückende Schwüle Jâr’ens war einer vertrauten Frische und Klarheit gewichen: Er befand sich im Ätherischen Meer.
Mit geschlossenen Augen durchwühlte er sein Gedächtnis. Warum lag er hier? Wieso spürte er einen ziehenden Schmerz in der Seite? Wer hatte ihn gebunden? Allmählich kehrten die Erinnerungen zurück. Verstörende Bilder tauchten daraus auf: Xydias blutüberströmte Leiche, seine sterbende Mutter und schließlich General Natsar, der ihm ein Schwert in den Körper stieß.
Erneut kochte Zorn empor, nicht mehr der Rachedurst, der Taramis zur Raserei gegen die Dagonisier aufgestachelt hatte, sondern der Ärger ob der eigenen Dummheit. Ihn reute die Unbesonnenheit, mit der er sich so blindwütig in den Kampf gestürzt hatte. Weder waren die ermordeten Frauen gerächt, noch hatte er vom Seelenschmerz Erlösung
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