Die Zeugin: Thriller (German Edition)
rauchst nicht, und irgendeinen Maßstab brauche ich doch.«
»Ein echtes Männerding, dieser Wunsch nach einer Leistungsbewertung, oder? Wie gut war ich? Braucht sie Rühreier oder Rice Krispies?« Sie wedelte mit ihrem Toastgebäck. »Ich sag nur Pop-Tarts, Baby.«
Erst als sie sein wunderbares Lachen hörte, merkte sie, wie einsam sie gewesen war. Ihr Gesicht verriet wohl Dankbarkeit und schieres Verlangen, denn er legte ihr die Hand an den Hinterkopf, zog sie an sich und küsste sie fest auf den Mund.
Über ihr schlug eine Woge der Gefühle zusammen. Sie war benommen und erschöpft und konnte nur den Kopf über sich schütteln. Seth war wie ein offenes Stromkabel, gefährlich und ungeerdet, und andererseits so verschlossen, dass er ihr in vieler Hinsicht wie ein Fremder vorkam. Als würde sie mit der Hand am Schalter in einen Swimmingpool steigen. Trotzdem war es ihr egal.
Am Morgen hatte er sich schon angezogen, bevor sie aufwachte. Er war aufgestanden und hatte im Wohnzimmer eingeheizt, war mit Chiba hinausgegangen und hatte ihm Futter und Wasser gegeben. Der Hund liebte ihn abgöttisch, und es hätte ihm auch nichts ausgemacht, wenn Seth wie ein Wasserspeier ausgesehen hätte. Er war ein Beschützer und zeigte der Außenwelt ein Gesicht aus Stein. Von seinen Narben sollte niemand wissen. Doch sie war nicht niemand.
Rittlings setzte sie sich auf ihn und versank in einen tiefen Kuss. Sie fühlte sich wie ausgewechselt und – zumindest für den Moment – fantastisch.
Sein Telefon läutete. Sie küsste ihn weiter, um zu sehen, wie lange er es klingeln lassen konnte. Schließlich löste sie sich von ihm und sagte: »Du hast den Test bestanden. Geh ran.«
Er blickte aufs Display. »Arbeit.«
Sie kletterte von seinem Schoß, und er trat vors Haus.
Während er im Dunst zwischen den Eichen auf und ab lief, sammelte sie ihre Sachen zusammen und rief Nussbaums Kanzlei an, um ein Treffen zu vereinbaren.
Als Rory hinauskam, beendete Seth gerade sein Telefonat. Er half ihr, die Tasche in den Subaru zu laden.
»Ich muss los«, erklärte er. »Zuerst zu Dad, dann nach L. A. «
»Ich fahre nachher nach Century City.« Sie musste Nuss baum erzählen, was sie über den Raubüberfall erfahren hatte, und das wollte sie lieber unter vier Augen tun.
Der weiße Himmel wirkte seidig glatt. Wie Samt strich die Luft über Rorys Haut. Der Morgen war still, fast beengend. Seth stieß einen Pfiff aus, und Chiba schaffte es, hinten in den Wagen zu springen. Seth kraulte ihm die Ohren und schloss die Hecktür.
Er nahm Rory in die Arme. »Wenn Detective Zelinski irgendwas will und mit seinen Handschellen rumfuchtelt, rufst du mich sofort an.«
Sie lächelte. Ein Lächeln vor dem Gang zum Henker, aber immerhin. »Bring deinen Dietrich mit.«
Nachdem sie sich ans Steuer gesetzt hatte und rückwärts aus der Scheune gefahren war, fiel ihr plötzlich am Boden vor dem Beifahrersitz ein USB -Stick auf.
Sie langte nach dem Gerät, das nicht ihr gehörte. Es hing an einem weißen Nylonband. Auf diesem stand in schwarzer Tinte: ANSEHEN .
Seth drückte auf die Hupe, als er an ihr vorbeifuhr.
Stirnrunzelnd betrachtete sie den Speicherstick. Ihr Auto war in den letzten Stunden nur einmal unbeaufsichtigt und unverschlossen gewesen: als sie Chiba vom Highway rettete.
Also musste Elmendorf den Stick im Wagen deponiert haben.
D er bedeckte Himmel war wie ein großer Schwamm. Lucky Colder goss Wasser in die Kaffeemaschine und machte das Radio an. Eine alte Gewohnheit, die er sich bewahrt hatte, obwohl auch im Fernsehen Nachrichten liefen. Das Radio erinnerte ihn angenehm an die alten Zeiten, als er noch gearbeitet hatte. Wie die Stunden im Streifenwagen und mit seinen Kollegen von der Truppe. Er schaltete die Kaffeemaschine ein.
Während der Kaffee kochte, lauschte er den Lokalnachrichten. Das statische Knistern war zugleich beruhigend und aufrüttelnd. Kurz darauf griff er nach seinem Telefon und tippte eine Nummer ein.
Es war noch früh, aber um acht war Schichtwechsel. Die Zentrale stellte ihn durch.
Eine frische, wache Frauenstimme meldete sich. »Xavier.«
»Hallo, Detective. Hier ist Lucky Colder.«
Sie zögerte unmerklich. »Was kann ich für einen alten Kollegen tun?«
»Es geht um eine Fallakte. Der Überfall auf den Geronimo-Geldtransporter.«
Wieder brauchte sie einen Moment. »Was ist damit?«
»Ich würde gern vorbeikommen und mit dir darüber reden. In der Akte sind Informationen, die wir nie mit den Räubern in
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