Die Zeugin: Thriller (German Edition)
um etwas zu finden, was sie an die Boulevardpresse verkaufen können, oder …«
»Oder was?«
»Weiß nicht. Irgendwas ist da faul.«
»Möchtest du ihn fragen?«
»Nein.«
»Du kannst ihn zur Rede stellen. Höflich, wenn du willst. Ich fahre da vorn in das Taco Bell, und du winkst ihn raus.«
»Du hast wohl Lust auf eine Konfrontation?«
»Diesmal hat er ja nicht mein Skateboard geklaut, ich muss also nichts machen. Aber wenn du sehen willst, wie er reagiert – ich bin dabei.«
»Du hast in den letzten zehn Jahren nichts mit ihm zu tun gehabt. Und ich kann dir auch nicht raten, jetzt damit anzufangen.«
»Dann schüttle ich ihn ab.«
Gemächlich rollte er auf die Linksabbiegerspur. Die Ampel war rot.
Kaum Verkehr auf der Querstraße. Er spähte in beide Richtungen. Keine Autos innerhalb von zweihundert Metern. Mit durchgedrücktem Gas jagte er über die rote Ampel und riss den Pick-up scharf um die Ecke.
Rory hielt sich am Fensterrahmen fest. »Verdammt, Seth.«
»Ups.« Er beschleunigte. »Immer diese Anfälle von Farben blindheit.« Dann ein Blick in den Rückspiegel. »Ja, der Abschleppwagen hängt hinter den anderen Autos an der Ampel. Wenn Boone sich nicht wie ein absoluter Irrer aufführen will, kommt er nicht an ihnen vorbei.«
Der Pick-up wurde schneller. Einen Block weiter gelangten sie zum Westside Shopping Center. Seth schlitterte auf den riesigen Parkplatz. Mit aufheulendem Motor raste er durch die Reihen parkender Autos zum Ende des Geländes und bog mit quietschenden Reifen auf die Straße hinter dem Einkaufszentrum. Dann schoss er vorbei an Abfalltonnen und Lastern vor Laderampen. Hinter ihnen wirbelte Müll durch die Luft.
Rory klammerte sich fest. Ihr Mund war auf einmal ganz trocken, und sie bekam kaum noch Luft. Alles, nur das nicht. »Seth.« Das war nicht mehr witzig und aufregend. Sie presste die Zähne aufeinander. »Bitte …«
Am Ende der Lieferstraße bremste er scharf und bog ab zum Ausgang. Dann holperte er zurück auf die Hauptstraße und stieg wieder aufs Gas. »Siehst du ihn noch?«
Rory war so mitgenommen, dass sie fast gar nichts mehr sah.
»Rory.«
Mühsam konzentrierte sie sich auf den Seitenspiegel. »Nein.«
»Kannst du erkennen, ob uns irgendwelche anderen Fahrzeuge folgen?« In weitem Bogen steuerte er den Wagen an der nächsten Ecke in eine Wohngegend.
»Nein, verdammt noch mal. Halt endlich an.«
Am Ende des Blocks bog Seth kreischend um eine weitere Ecke. Vor ihnen lag ein Stadtpark mit Spielplätzen, einer bewaldeten Picknickfläche und Baseballfeldern. Seth schoss auf den Parkplatz und lenkte den Pick-up am Ende hinter einen Wartungsschuppen. Schaukelnd stoppte der Wagen ab, und er zog die Handbremse an.
Er spähte in alle Richtungen. Sein Gesicht war ruhig, doch seine Augen leuchteten. »Zur Straße hin sind wir komplett geschützt. Wenn er in der nächsten halben Minute nicht hier einbiegt, sind wir ihn los.«
Rory krallte sich noch immer am Fenster fest. Sie stemmte die Füße gegen den Boden und drückte sich in den Sitz wie bei einem Bremsmanöver. Wie vor einem heftigen Zusammenprall.
Sie machte den Mund auf, um zu sprechen, doch dann überlegte sie es sich anders.
Seth schaute auf die Uhr. »Wir haben ihn abgeschüttelt.«
Sie löste ihren Gurt.
Seth hatte die Hand am Schaltknüppel. »Rory?«
Sie öffnete die Tür und kletterte hinaus.
»Wo willst du denn hin?«
Sie beugte sich vor und stützte die Hände auf die Knie. Kurz darauf hörte sie, wie sich Seths Tür öffnete. Sie richtete sich wieder auf und stakste mit wackligen Beinen auf den Schuppen zu. Ein alter Holzbau, dessen roter Anstrich verblasst war. Mit besorgter und zugleich vorsichtiger Miene folgte ihr Seth.
Sie hob die Hand. »Nein.«
Er wurde langsamer. »Alles klar bei dir?«
»Hast du … den Verstand verloren?« Sie lehnte sich an den Schuppen und schloss die Knie, damit er ihr Zittern nicht bemerkte. Aus dem Stadtpark drang das Geräusch eines Schlägers, der einen Baseball traf, gefolgt von Jubel und Gelächter.
Wütend funkelte sie ihn an. »Du kannst einfach nicht anders, oder?«
»Meinst du denn, Boone war bloß zufällig hinter uns? Alles ganz harmlos?«
»Das ist nicht die Operation Sperrrad, sondern mein Leben. Und ich möchte nicht darüber nachdenken, warum mir Boone gefolgt ist.«
»Solltest du aber.«
»Ich versteh nicht, warum du so was machst.«
»Ich wollte dich bloß aus einer bedrohlichen Situation befreien.«
»Wenn du Lust auf eine
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