Die Zeugin
er voller Stolz die khakifarbene Uniform und den Sheriffstern. Der steife Hemdkragen war viel zu weit für seinen mageren Hals, auf dem ein kleiner, spitzer Kopf wie auf einem schwankenden Fahnenmast wackelte.
Er hieà Lee Simon Crook, ein Cousin Billy Joe Crooks und der Zwillinge.
Luther Crook hatte sich eben den Queue zurechtgelegt, als Lee Simon in die Poolhalle platzte und die Nachricht herausposaunte, wegen der er die zwei Blocks vom Gericht hergelaufen war. Luther fuhr streitlustig mit geballten Fäusten herum und fluchte laut, weil er den Stoà verpatzt hatte, mit dem er seine zuvor verlorenen zehn Dollar hätte wiedergewinnen können.
»Lee Simon, du PiÃnelke! Ich sollte dich zu Brei hauen. Ich hätte gerade...«
»Halt den Rand, Luther«, fuhr Henry ihm von seinem Barhokker aus über den Mund. »Was hast du da eben gesagt, Lee Simon?«
»Sie sind entwischt. Aus dem Gefängnis.«
Luther packte seinen Cousin am Uniformärmel und wirbelte ihn herum. »Wer ist entwischt, du Schnarchsack?«
»Die B-B-Burnwoods.«
»Was sagst du da?«
»Ich schwöre es.« Er schlug ein Kreuz über seinem eingesunkenen Brustkorb. »Sie sind weg, vor zehn Minuten. Da drüben ist der Teufel los. Ich habâ mich in dem ganzen Durcheinander einfach rausgeschlichen und bin hergerast, so schnell ich konnte.«
Selbst am hellichten Tag lungerten immer ein paar Männer in der Billardhalle herum â Drückeberger, die ihr Leben damit zubrachten, Bier zu trinken und sich darüber zu beschweren, daà die Post ihnen ihre Wohlfahrtsschecks zu spät aushändigte.
Grimmig bedeutete Henry seinem Bruder, ihnen zu folgen, und zerrte seinen Cousin an einen Tisch in einer dunklen, verqualmten Ecke.
»Gibst du auf?« fragte Luthers Spielpartner.
Luther warf einen zweiten Zehndollarschein auf den Filz, stellte sein Queue in den Ständer und rutschte neben seinem Bruder auf die Bank, so daà sie beide ihrem Cousin gegenübersaÃen, den sie sein Leben lang gepiesackt hatten. Die aufsässigen Zwillinge hatten dem physisch unterlegenen Kind, das der Bruder ihres Vaters in dritter Ehe gezeugt hatte, jedes Familientreffen zur Hölle gemacht.
Ihre ständigen MiÃhandlungen hatten ihnen paradoxerweise Lee Simons unerschütterliche Zuneigung, Bewunderung und Ergebenheit eingebracht. Daà sich seine Vettern oft auf der anderen Seite des Gesetzes bewegten, schien Lee Simon nur noch mehr für sie einzunehmen.
»Ihr habt doch immer gesagt, ich soll drüben die Augen offenhalten«, begann er, wobei er mit dem Daumen ungefähr in
Richtung Gerichtsgebäude deutete. »Und das habâ ich auch gemacht. Aber ich hättâ bestimmt nie geglaubt, daà so was Unerhörtes mal passiert.«
»Was denn?«
»Sie sind ausgebrochen. Matt und sein Alter. Am hellichten Tag.«
»Wie? Haben sie einen Wachmann umgelegt?«
»Flachgelegt trifftâs eher«, prustete Lee Simon los.
»Hä?«
»Mrs. Lottie Lynam...«
»Ja?« fragten die Zwillinge im Chor.
»Also, in den letzten Tagen hat sie Matt ziemlich regelmäÃig besucht. Ihm Cheeseburger und Kokoskuchen aus dem Cafe mitgebracht. Zeitschriften, Bücher, all so ân Kram.«
Er beugte sich vor und bemühte sich, besonders männlich zu wirken. »Ihr wiÃt doch, wie gut sie gebaut ist? Also, sie kommt ins Gefängnis scharwenzelt, als wärâ sie die Königin von Saba persönlich. Macht alle da drin tierisch an, wie ihr euch denken könnt. Die Wachleute eingeschlossen. Sogar mich. ScheiÃe, wir tragen vielleicht âne Uniform, aber drunter sind wir schlieÃlich Männer, oder etwa nicht?«
»Stimmt, mit ihren Titten könnte die einen erschlagen«, bestätigte Luther ungeduldig. »Also weiter, erzähl.«
Lee Simon leckte sich den Speichel weg, der sich immer wieder in seinen Mundwinkeln sammelte. »Also, Lottie kommt heute wieder reingetänzelt, und zwar in einem verdammt engen Kleid. Und sie sorgt dafür, daà jeder sie sieht, der alte Wiley Jones eingeschlossen.«
Aufgeregt rückte er an die Kante seiner Sitzbank vor. Neuer Speichel sammelte sich. »Wiley führt sie ins Besucherzimmer, wo sie stolpert und ihr die Tasche runterfällt. Sie geht auf alle viere runter, um ihr Zeug aufzusammeln, und Wiley wären fast
die Augen aus dem Kopf gefallen, habâ ich gehört. Ich
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