Die Zeugin
aber ohne Alarm auszulösen. Sie lehnte sich gegen die Tür und stemmte sie auf.
Lauschend hielt sie inne, aber auÃer dem dichten Regen, der in die Pfützen auf der kleinen Rasenfläche im Hof und auf dem Betonweg von der Tür zur StraÃe trommelte, war drauÃen nichts zu hören.
Kendall öffnete ihm die Tür und lieà ihn an sich vorbeihumpeln.
Dann drückte sie wieder die Klinke, bis ihr ein Schnappen verriet, daà das Schloà eingerastet war.
Erst jetzt sprach sie ihn an, wenn auch nur flüsternd. »Du wirst klatschnaÃ.«
»Ich werde schon nicht schmelzen.«
»Warum wartest du nicht hier, bis ich ...«
»Ganz bestimmt nicht.«
»Glaubst du wirklich, ich würde abhauen und dich alleine zurücklassen?«
Er schenkte ihr einen müden Blick. »Spar dir das, okay? Gehen wir.«
»Also gut, hier lang.«
»Ich weiÃ. Der dunkelblaue Cougar beim Waschsalon.«
Er hantelte sich den Gehweg entlang, als würde ihm der Regen nicht das geringste ausmachen. Kendall drückte Kevin an ihre Brust, überzeugte sich davon, daà die Decke sein Gesicht abschirmte, und folgte dem Mann mit den Krücken.
Als sie den Cougar endlich erreicht hatten, bibberte er vor Kälte, Schmerzen und Schwäche. Hastig schloà Kendall ihm die Beifahrertür auf, dann lief sie zur Fahrerseite. Bei einem zweiten Besuch im Supermarkt hatte sie einen Babysitz gekauft. Sie schnallte Kevin hinein und tauschte die feuchte Flanelldecke gegen eine trockene aus. Der Kleine maunzte ein paarmal vor sich hin, wachte aber nicht auf. Es würden noch einige Stunden vergehen, bis Kevin wieder Hunger bekam. Ihre Flucht hatte sie auf seine Stillzeiten abgestimmt.
Sie rutschte hinter das Steuer und legte den Gurt an, dann schob sie den Schlüssel ins ZündschloÃ. Der Wagen sprang sofort an.
»Ein guter Kauf. Ich habe dich von meinem Fenster aus beobachtet«, erklärte er, als sie ihn fragend ansah. »Wer war der Alte im Overall? Ein Freund?«
»Ein Fremder. Er hatte eine Anzeige aufgegeben.«
»So was habe ich mir schon gedacht. Woher hast du gewuÃt, daà der Alarm nicht losgehen würde, wenn du die Tür zum Notausgang öffnest?«
»Der Hausmeister ist heute morgen durch diese Tür raus. Später habe ich sie ausprobiert. Kein Alarm. Ich habe mich einfach darauf verlassen, daà sie nicht an einen Zeitschalter angeschlossen ist.«
»Aber du hättest eine Ausrede gewuÃt, falls es Alarm gegeben hätte, nicht wahr? Bist du nicht die Frau, die immer auf das Schlimmste gefaÃt ist?«
»Du brauchst nicht gleich fies zu werden.«
»Warum nicht? Warum sollte ich höflich zu einer Frau sein, die behauptet, mit mir verheiratet zu sein, und sich dann heimlich aus dem Staub machen will?«
»Ich wollte nicht ohne dich weg. Ich war gerade auf dem Weg zu deinem Zimmer als ...«
»Vergià es.« Seine Stimme klang trocken und rauh wie Sandpapier. »Du wolltest dich mitten in der Nacht davonschleichen und hattest keineswegs vor, mich mitzunehmen. Du weiÃt das. Ich weià es.« Er hielt inne. »Ich habe zu starke Kopfschmerzen, um mich deswegen zu streiten. Also lassen wirâs...«
Er hatte sich verausgabt. Sein Oberkörper sackte unter der Anstrengung der langen Rede zusammen. Mit einer schwachen Geste bedeutete er ihr loszufahren.
»Ist dir kalt?« fragte sie.
»Nein.«
»Du bist klatschnaÃ.«
»Aber mir ist nicht kalt.«
»Gut.«
In Stephensville gab es, abgesehen von ein paar Geschäften und einer Bank an der Kreuzung der beiden HauptstraÃen, so
gut wie keinen Ortskern. Bis auf das Sheriffbüro war alles dunkel. Um nicht daran vorbeifahren zu müssen, bog sie einen Block vorher ab.
»Weià du, wohin du fährst?« fragte er.
»Warum schläfst du nicht ein biÃchen?«
»Weil ich dir nicht traue. Vielleicht schmeiÃt du mich an der nächsten StraÃenecke aus dem Auto, wenn ich einnicke.«
»Wenn ich gewollt hätte, daà du stirbst, hätte ich dich nicht aus dem Wrack gewuchtet. Das wäre ganz einfach gewesen!«
Er versank in mürrisches Schweigen, das mehrere Meilen anhielt.
Kendall glaubte schlieÃlich, er habe ihren Rat beherzigt und sei eingeschlafen, aber als sie zu ihm hinübersah, stellte sie fest, daà er sie mit dem bohrenden Blick eines Heckenschützen beobachtete, der sein Ziel
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