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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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ins Visier genommen hat.
    Â»Du hast mich herausgezogen?«
    Â»Ja.«
    Â»Warum?«
    Sie mußte lachen. »Ich hielt das einfach für ein Gebot der Menschlichkeit.«
    Â»Warum rettest du mir das Leben, um mich dann in irgendeinem Hinterwäldlerkrankenhaus sitzenzulassen, wo ich ganz auf mich allein gestellt bin und niemand mir helfen kann?«
    Â»Ich wollte dich nicht sitzenlassen.«
    Â»Das ist gelogen.«
    Sie seufzte müde. »Nach unserem Gespräch in deinem Zimmer heute abend wurde mir klar, daß du von diesem Arzt genausowenig hältst wie ich. Deshalb erachtete ich es für das beste, dich in ein anderes Krankenhaus zu bringen und eine zweite Meinung einzuholen.
    Und weil ich mich nicht in einen Papierkrieg verwickeln lassen wollte – und ich mich außerdem nicht mit ihnen anlegen
wollte, denn schließlich waren sie äußerst großzügig und nett zu Kevin und mir – hatte ich mir vorgenommen, dich rauszuschleusen.«
    Â»Was hättest du getan, wenn sie mir Beruhigungsmittel gegeben hätten?«
    Â»Das wäre mir nur recht gewesen. Du hättest mir nicht widersprechen können.« Sie sah ihn von der Seite an. »Hat dir die Schwester keine Spritze gegeben, nachdem ich dein Zimmer verlassen hatte?«
    Â»Sie wollte schon. Ich habe jedoch auf einer Pille bestanden und die nicht runtergeschluckt. Auch ich bin eben gern auf alles vorbereitet. Mein Instinkt hat mir gesagt, daß du irgendwas im Schilde führst. Und für den Fall wollte ich wach bleiben.«
    Kendall sah auf die grüne Hose, die naß an seiner Haut klebte. »Du hast die Sachen aus der Wäschekammer gestohlen?«
    Â»Besser, als mit nacktem Hintern durchs Land zu reisen. Sind wir auf dem Weg nach South Carolina?«
    Â»Nein, nach Tennessee.«
    Â»Wieso das denn? Was wollen wir in Tennessee?«
    Â»Wenn ich dir das sagen würde, würdest du mir nicht glauben, also laß dich überraschen.«
    Â»Was haben wir angestellt?«
    Â»Verzeihung?«
    Â»Offensichtlich sind wir doch auf der Flucht. Was für ein Verbrechen haben wir begangen?«
    Â»Wie, um alles in der Welt, kommst du auf diese Idee?«
    Â»Das ergibt jedenfalls mehr Sinn als der Quatsch, mit dem du mich abspeisen willst.«
    Â»Was genau glaubst du nicht?«
    Â»Gar nichts glaube ich dir. Daß wir ein Paar mit einem Kind sind. Und daß du mich bei diesem Ausflug hier mitnehmen wolltest. Ich glaube dir kein Wort. Du bist eine ziemlich clevere
Lügnerin. Leugnen hat keinen Zweck, und frag mich nicht, woher ich das weiß. Es ist eben so. Du saugst dir das alles aus den Fingern.«
    Â»Das stimmt nicht.«
    Sie protestierte aus Entrüstung wie auch aus Angst. Sein Instinkt war ungemein scharf, und er schien sich bedingungslos darauf zu verlassen. Mit Ausnahme ihrer Großmutter hatte noch niemand sie so durchschaut. Unter anderen Umständen hätte sie seinen Scharfblick bewundert, aber jetzt konnte er sich als tödlich erweisen.
    Sie mußte die schwierige Rolle der liebenden Gemahlin spielen, ohne ihn noch mißtrauischer werden zu lassen. Schließlich handelte es sich um eine vorübergehende Situation. Sicher konnte sie ihn noch ein bißchen hinhalten.
    Beide verstummten. Im Wagen waren nur noch das hypnotisierende Sirren der Reifen auf dem nassen Asphalt und der schnelle Takt der Scheibenwischer zu hören.
    Kendall beneidete Kevin um seinen friedlichen Schlummer und um seine Freiheit von jeder Verantwortung. Sie hätte alles dafür gegeben, sich ausruhen zu dürfen, die Augen zu schließen und sich vom Schlaf übermannen zu lassen. Aber das stand ja nicht im entferntesten zur Debatte. Sie würde erst wieder freier atmen können, wenn die Distanz zwischen ihnen und dem Büro des neugierigen Sheriffs von Stephensville beträchtlich war.
    Sie sammelte ihre schwindenden Kräfte, faßte das Lenkrad fester und beschleunigte auf ein erlaubtes, sicheres, aber meilenfressendes Tempo.
    Â 
    Es dünkte ihn, als stünde er allein in einem dunklen, endlosen Tunnel und höre eine Lokomotive, die auf ihn zuraste. Er konnte sie nicht sehen, konnte nicht davonlaufen, konnte nichts tun, als sich auf den Aufprall vorzubereiten. Das schlimmste
war die Angst vor dem Unausweichlichen. Am liebsten hätte er den Zusammenstoß sofort hinter sich gebracht, bevor das ununterbrochene Brüllen in seinem Kopf ihm noch die Augäpfel aus den

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