Die Zuckerbäckerin
herzuspionieren. Wenns mich auch noch so interessieren tätâ!«
Sonia seufzte. »Glaubst du, mir geht es anders? Kaum ist mein Tagwerk bei Melia vollbracht, fordert Gustav seinen Tribut.«
»Wie der wohl aussehen mag â¦Â« Louise lachte verschwörerisch. »Du wirst schon wissen, warum du den armen Tobias keines Blickes mehr würdigst, oder?«
Auf einmal wurde es Sonia der Vertraulichkeiten zuviel. Daà jemand ihr Bemühen durchschaute und sogar den Grund dafür erkannte, paÃte ihr ganz und gar nicht. Es stimmte: Gustav Bretschneider hatte ihr in der Tat viel mehr zu bieten als der junge Tobias, selbst noch Neuling in der Truppe. Was machte es da schon, daà sich unter den schmucken Kostümen des Ãlteren ein faltiger und oftmals auch übelriechender Leib verbarg? Im Dunkeln sind alle Katzen grau, versuchte sich Sonia einzureden, während sie nachts Gustavs graugewordenen Pelz und seine schlaff herabhängende Mannes-»Pracht« liebkoste. Doch Louise ging dies ganz und gar nichts an.
»Oh, ich glaube, Madame ruft nach dir. An deiner Stelle würde ich ganz schnell das Glätteisen erhitzen, sonst ist nachher wieder der Teufel los.«
Hastig raffte Louise ihre Röcke zusammen und verschwand in der Höhle der Löwin.
»Blöde Kuh!« Sonia schnitt eine unschöne Grimasse. Dann drehte sie sich abermals vor dem Spiegel hin und her. Erst letzten Monat hatte Gustav ihr das rosafarbene Seidenkleid geschenkt und jetzt diesen Traum aus lila Rüschen und schwarzen Samtbändern. Wenn er nur nicht jeden Abend darauf drängte, sie möge ihre Kleider so schnell wie möglich ablegen!
Doch alles im Leben hatte halt seinen Preis. Resolut schob sie jeden Anfall von Selbstmitleid zur Seite. Wenn sie nur herausbekommen könnte, wer der geheimnisvolle Mann im Leben der Melia Feuerwall war! Mit diesem Wissen wären Sonias Sorgen ein für allemal gelöst. Der Mann war sicherlich verheiratet oder ein hoher Beamter. Oder gar beides? Melia würde sich Sonias Verschwiegenheit wohl einiges kosten lassen, davon war sie überzeugt. Warum sonst die ganze Geheimniskrämerei? Ganz geschickt wollte sie es anstellen. Statt plumpe Drohungen auszustoÃen, würde sie Melia von ihrer Ergebenheit und Freundschaft überzeugen und davon, daà jedes Geheimnis bei Sonia sicher sei. Für einen Preis, versteht sich. Denn hatte nicht alles im Leben seinen Preis â¦
Sie lachte. Es war alles nur eine Frage der Zeit, da war sie sich sicher. Hatte sie bisher nicht alles bekommen, was sie wollte? Und Eleonore hatte sie dabei auch nicht vergessen! Sie war schlieÃlich doch ganz in Ordnung. Wäre ihre Schwester sonst Zuckerbäckerin am königlichen Hof geworden? Nicht, daà Sonia sie auch nur eine Minute darum beneidet hätte. Aber wenn es nun einmal Lorchens sehnlichster Wunsch war, bis zu den Ellenbogen in der Teigschüssel zu versinken!
Sonia lachte. Sie hatte noch keine Minute ihren Abschied vom Schloà bereut. Kein Gemüseputzen mehr. Kein Kupferputzen. Und auch nicht mehr Ludovikas verdrieÃliche Miene tagein, tagaus. Nun gut, auch hier im Theaterhaus wurden ihr Putzdienste zugewiesen. Aber es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Gustav sie ganz und gar als seine Geliebte anerkannte. Und als solche würde sie keinen Putzlappen, geschweige denn einen Besen, mehr in die Hand nehmen! Bei diesen Gedanken fiel ihr ein, daà sie dem Schauspieler vor dem groÃen Auftritt eigentlich noch einen kurzen Besuch abstatten konnte. Wenn er nur nicht solaunisch wäre! In dieser Hinsicht stand er Melia in nichts nach. Einmal nannten sie es »Premierenangst«, ein anderes Mal »Lampenfieber«. Heute war es letzteres. Sonia konnte zwar nicht verstehen, was denn nun so besonders daran war, daà die Mutter der Königin im Publikum saÃ, aber bitte: Wenn dies Grund genug war, sich tagelang aufzuregen, dann war dies wohl die Art der Künstler!
»Pah! Damals, auf der StraÃe mit Columbina â da konnten wir uns âºLampenfieberâ¹ oder ähnliche Sperenzchen nicht leisten! Da hieà es einen klaren Kopf bewahren!« flüsterte Sonia leise kichernd vor sich hin. Von ihr konnten die Herren und Damen Künstler alle noch etwas lernen! Aber sie war nicht so dumm, die anderen dies fühlen zu lassen. Nein, in deren Augen war sie die kleine, arglose und etwas kokette Putzmagd, die selig war, sich im
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