Die Zufalle des Herzens
Bildes und legte sie an den Rand des Tisches. Keine Lügen mehr , dachte sie.
Dann ging sie in die Küche, um sich mit den Brownies zu trösten, um die sie den ganzen Abend so gewissenhaft einen Bogen gemacht hatte. Es gab jedoch keine mehr. Sie sah in jeden Schrank, fand aber keine. Was sie dagegen entdeckte, war das Blech, auf dem sie gebacken worden waren und das, blitzsauber, ganz hinten im Topfschrank verstaut worden war. Das Eis war ebenfalls weg, die Packung im Mülleimer vergraben, unter Zeitungen und einer leeren Cornflakes-Schachtel.
Da war er wieder, dieser Schauer. Ihr Gehirn suchte fieberhaft nach plausiblen Erklärungen, und sie wusste, dass sie sich, wenn sie wollte, von jeder einzelnen überzeugen lassen konnte. Vielleicht sollte sie aber auch einfach aufhören, darüber nachzudenken, und ins Bett gehen, was fast genauso verlockend war, wie diese Brownies aufzuessen.
Nein, sie würde irgendetwas unternehmen müssen. Als Erstes würde sie morgen, wenn Kimmi nach Hause gegangen war, mit Morgan darüber sprechen. Auf dem oberen Treppenabsatz angekommen, stellte sie jedoch fest, dass die Mädchen noch gar nicht schliefen. Sie waren im Bad. Durch die angelehnte Tür fiel Licht in den dunklen Flur, und Dana konnte Kimmis Stimme hören.
»Siehst du?«, sagte sie gerade. »Ich brauche nicht mal mehr meine Finger zu benutzen. Mein Magen weiß schon, was er tun muss.«
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W ie sie so in der dunklen Stille des Flurs stand, hatte Dana plötzlich einen völligen Blackout. Es war, als hätte jemand in ihrer Großhirnrinde den Stecker gezogen. Ihr Gehirn brauchte ein paar Sekunden, bis es widerwillig von Neuem anlief, und sie fragte sich, ob sie wirklich gehört hatte, was sie gehört hatte.
Aber sie hatte. Und als das Geräusch gedämpften Würgens aus dem Badezimmer in der Luft um sie herum widerhallte, wusste sie, dass sie eine Entscheidung zu treffen hatte. Reagiere ich jetzt, oder denke ich mir einen Plan aus und reagiere später?
Angesichts dieser Situation war Dana wie vor den Kopf geschlagen. Sie überlegte, wie sie damit umgehen sollte, ohne den Mädchen eine Szene zu machen. Hätte sie es nur mit Morgan zu tun gehabt, wäre das etwas anderes gewesen; dass Kimmi beteiligt war, machte es um einiges schwieriger. Doch ein Gedanke stupste sie, drängte sie zum Handeln: Morgan muss wissen, dass ich es weiß. Und wenn ich nicht gleich etwas unternehme, kann es sein, dass ich kneife.
Sie schubste die Tür auf. Kimmi erhob sich gerade neben der Kloschüssel von den Knien, und Morgan ging in die Hocke, den Zeigefinger bis zum Knöchel in den Mund gestopft. Überrascht drehten die beiden Mädchen sich zu ihr um. Dann platzte Kimmi heraus: »Uns ist ein bisschen schlecht, Mrs Stellgarten, und wir glauben, dass eventuell das Hühnchen, das Sie zum Abendessen gemacht hatten, nicht ganz durch war und wir vielleicht Botanismus haben.«
Botulismus , dachte Dana. Wenn ihr mich schon belügt, dann benutzt wenigstens das richtige Wort .
»Es ist Zeit, ins Bett zu gehen«, sagte sie ruhig.
»Mom …«, flüsterte Morgan.
»Schlafenszeit«, sagte Dana entschieden.
Die Mädchen huschten zurück in Morgans Zimmer. Dana stand noch einen Moment im Flur, horchte, wie sie in ihre Schlafsäcke schlüpften, und fragte sich, ob sie das wohl richtig angepackt hatte. Und während sie in ihr Schlafzimmer trottete, kam sie zu der kläglichen Erkenntnis, dass sie noch die ganze Nacht vor sich hatte, um sich da hineinzusteigern.
Letztlich doch nicht die ganze Nacht. Irgendwann vor Tagesanbruch schwebte Morgan schemenhaft ins Zimmer und schlüpfte leise unter ihre Decke. Sie berührte Dana nicht, wie sie es normalerweise tat, wenn sie zu ihr ins Bett kroch, zupfte sie nicht sanft an den Haaren oder an der Haut des Ellbogens. Sie lag einfach da, kleinlaut darauf wartend, dass sie einen Fetzen von der Aufmerksamkeit ihrer Mutter hingeworfen bekam.
»Hast du überhaupt geschlafen?«, murmelte Dana.
»Nein.«
»Belastet dich etwas?«
Ein leises Schnaufen vom Kissen nebenan und ein leichtes Beben der Matratze sagten Dana, dass ihre Tochter weinte. »Morgan«, flüsterte sie und strich dem Mädchen sanft über den verkrampften Unterarm. »Morgan, Liebes.« Stück für Stück ließ Morgan die Hand nach unten wandern, sodass Dana ihren Arm bis hinauf zur Schulter streicheln konnte. Dann rutschte das Mädchen plötzlich ganz nah zu seiner Mutter und drückte sich in die Rundung ihres Körpers. Dana schlang die Arme um sie und
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