Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
Vom Netzwerk:
ihnen schon was zeigen müssen, Mädchen.«
    » Das werde ich«, versprach ich. » Wann soll ich meine Bitte offiziell machen?«
    » In zwei Wochen beginnen wir mit der Saat. Das wäre ein guter Zeitpunkt.«
    » Danke.«
    » Bedank dich noch nicht. Deine Bitte wird einigen Leuten gehörig gegen den Strich gehen.«
    » Wenn du an ein Feuer kommst, an dem alle kochen, und sie lassen dich nicht mitmachen, obwohl du genauso gut bist wie sie, was würdest du dann tun?«
    Er lächelte und fuhr sich mit zwei Fingern über die Augenbraue. » Ich schätze, das Gleiche wie du.«
    Eine Weile hielten wir gemeinsam schweigend Wache. Diese Stunden des Tages waren mir die liebsten, denn Draufgänger hielt mich nicht für seltsam oder verrückt. Bei ihm konnte ich einfach ein Mädchen sein, das anders war als alle anderen.
    » Wann fährst du los, ich meine, auf deine Handelstour?«, fragte ich schließlich.
    » Im Herbst, nachdem wir geerntet haben. Bevor der Schnee fällt, bin ich wieder zurück.«
    Ich dachte daran, wie er uns gefunden hatte. Ohne zu zögern, hatte er uns alle samt Verpflegung und Ausrüstung auf seinen Wagen geladen und uns das Leben gerettet. Ich würde mich revanchieren, sollte sich eines Tages die Gelegenheit bieten. » Kann ich dir vielleicht dabei helfen?«
    » Warum? Hast du Interesse, mein Lehrling zu werden?«
    » Vielleicht.« Mir wurde heiß, während ich darauf wartete, dass er mir die Gründe aufzählte, warum das nicht ging: weil ich zu jung war, zu schwach oder– die schlimmste Möglichkeit von allen– eine Frau.
    Aber Draufgänger überraschte mich. » Die Arbeit kann sehr einsam und gefährlich sein, Zwei. Bleib dran, mach deine Schule fertig, dann werd ich sehen, was ich für dich tun kann.«
    Ich seufzte. » Es ist nicht leicht für mich. Du bist der Einzige, der mir zuhört.«
    Draufgänger legte mir tröstend einen Arm um die Schulter. » Dann sprich lauter, Mädchen. Lass sie dein Feuer nicht austrampeln.«
    Lange Zeit stand ich so da, spürte seinen Arm auf meiner Schulter und zählte die Sterne. Noch bevor es hell wurde, gingen mir die Zahlen aus. Es schien mir ein gutes Omen.

FEUERPROBE
    Die nächsten zwei Wochen verschwammen zu einem gleichförmigen Brei. Mrs. James beschwerte sich über meine schlechten Leistungen in der Schule; die anderen Bälger fanden neue Wege, mich in der Essenspause zu drangsalieren; Bleich und Tegan setzten ihre Anstrengungen fort, neue Freunde zu finden. Ab und zu kam Pirscher nachts in mein Zimmer, wir besuchten Draufgänger und trainierten danach in unserem Versteck. In den anderen Nächten ging ich allein zu unserem Retter, und wir redeten über alles Mögliche, unter anderem auch über den Grund, weshalb er sich freiwillig für die Handelstouren gemeldet hatte, die so gefährlich waren.
    » Am Anfang«, sagte er, » hab ich es gemacht, weil jemand es tun musste. Dann bin ich auf den Geschmack gekommen, es hat mir gefallen, die Welt zu sehen. Und schließlich bin ich dabei geblieben, weil es niemanden gibt, der mich vermissen würde, wenn ich nicht zurückkomme.«
    » Ich werde dich vermissen«, sagte ich, und er strich mir über den Kopf.
    Das war letzte Nacht gewesen.
    Heute Nachmittag war ich nervös, obwohl es keinen Grund gab. Draufgänger hatte gesagt, ich würde mich beweisen müssen, aber das war nicht die Ursache für meine Anspannung. Ich ging vor den Ställen auf und ab und lauschte auf die Geräusche, die nach draußen drangen. Ich hatte Bleich seit Wochen nicht besucht– nicht mehr, seit Mr. Jensen mich weggeschickt hatte–, und er war auch nicht zu mir gekommen, obwohl er wusste, wo ich wohnte. Das letzte Mal hatte ich mit ihm gesprochen, als er mich in der Schule gegen die beiden Jungen verteidigt hatte, und ich vermisste ihn. Als wir in den Ruinen Pirscher und Tegan trafen, erhöhten sich unsere Überlebenschancen beträchtlich, aber es hatte auch alles verändert.
    Trotzdem konnte ich mich nicht der Sommerpatrouille anschließen, ohne ihn zu fragen, ob er mitwollte. Auch wenn wir kaum noch miteinander sprachen, auch wenn er all seine Zeit mit Tegan verbrachte, er war immer noch mein Partner. Unten hatte das bedeutet, dass wir einander den Rücken frei hielten und jeder den anderen im Kampf verteidigte. Als wir Oben angekommen waren, war unsere Verbindung tiefer geworden, wir hatten Gefühle füreinander entwickelt. Ich sehnte mich nach seiner Gesellschaft, nach seiner Berührung. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und ging

Weitere Kostenlose Bücher