Die Zuflucht der Drachen - Roman
auf den Boden krachte. Mit einem deutlichen Humpeln erhob sich die hirschähnliche Kreatur und wandte sich zu Kendra um. Ihre nach oben gezogenen Lippen entblößten bösartige, gelbe Zähne, von denen Schaum tropfte.
Wie in panischer Eile stob der Rest der Herde zu allen Seiten vom Boden in die Höhe und zeigte wenig Interesse an der möglichen Beute. Nur der verletzte Peryton, der ein scheußlich schief herausstehendes Bein hinter sich herzog, griff Kendra an. Als der knurrende Peryton näher kam, sprang Mendigo hinter ihn und riss und zerrte an dem verletzten Bein. Schäumend und schnappend mühte sich das hirschähnliche Mischwesen vorwärts.
Ebenfalls mit einem Knurren näherte sich Dougan von der Seite und vergrub seine Axt im Genick der wilden Kreatur. Die hirschartigen Beine knickten ein, und Mensch und Peryton fielen gemeinsam zu Boden.
Hoch am Himmel übertönte ein zweites, alles erschütterndes Brüllen sämtliche anderen Geräusche. Durch die Äste des Baums sah Kendra einen gewaltigen blauen Drachen mit großer Geschwindigkeit über sie hinwegfliegen. Die Perytons hatten nicht angegriffen, sie flohen!
Plötzlich war Mara an ihrer Seite und riss Kendra hoch. »Der Drache hat die Perytons gleich eingeholt«, sagte sie und führte Kendra im rechten Winkel von der Route weg, die die Herde genommen hatte. »Kann sein, dass sie den gleichen Weg zurückkommen.«
Als Kendra sich umdrehte, sah sie, wie Dougan ihnen folgte. Sie erhaschte einen Blick auf Trask, der sich weiter unten am Hang parallel zu ihnen bewegte. Aber wo waren Warren, Tanu und Gavin?
Kendra, Mara und Dougan rannten den Abhang hinunter. Je tiefer sie kamen, umso höher wurden die Kiefern. Es gab nur wenig Unterholz, das ihnen das Vorwärtskommen erschwert hätte, nur die natürliche Unsicherheit, die jede schnelle Bewegung über unebenes Gelände begleitet, verlangsamte ihr Tempo. Der Drache brüllte abermals in einer ohrenbetäubenden Lautstärke, die Kendra wie ein Faustschlag traf. Blitze zuckten, und Donner dröhnte.
»Da kommen sie«, warnte Mara und hob ihren Speer.
Perytons kamen im Gleitflug den Hügel hinaufgesprungen. Einige erhoben sich bis über die Baumwipfel, während andere es vorzogen, sich in halsbrecherischem Tempo zwischen den Kiefern hindurchzuschlängeln. Die Herde war auseinandergerissen worden. Manche Tiere gingen den Hügel in direkter Linie an, andere bewegten sich schräg nach oben. Es schienen mindestens fünfzig zu sein.
Ein greller Blitz traf einen Baumwipfel weiter unten am Hang und spaltete den Stamm in einem blendenden Funkenhagel. Sofort folgte dröhnender Donner, dem sich ein noch lauteres Brüllen anschloss.
Kendra stürmte instinktiv vorwärts, ohne auf die Sturzgefahr zu achten, und versuchte, mit Maras unmenschlicher Geschwindigkeit mitzuhalten. Sie konnte Dougan schwer atmend hinter sich hören. Neben einem besonders dicken Baumstamm kam Mara schlitternd zum Stehen, und Kendra rutschte neben ihr in die Hocke. Zu allen Seiten schlugen Hufe über den Waldboden, dann stießen sich die Perytons erneut ab, und die Luft über ihnen wimmelte nur so von geflügelten Hirschen.
Dann verdunkelte der Drache den Himmel. Seine Schuppen schimmerten blau und violett. Das große Maul schnappte zu, und das Hinterteil eines Perytons klatschte, eine rote Fontäne hinter sich herziehend, auf den Waldboden.
»Lauft«, flüsterte Mara, und sie hasteten den Hang hinab zu einem Baum, an dem Trask auf sie wartete.
»Sie werden noch einmal zurückkommen«, prophezeite er. Sein kahler Kopf glänzte von Schweiß.
In einiger Entfernung brüllte der Drache erneut. Kendra, Trask, Mara und Dougan preschten den Hügel hinunter und kamen unten am Rand einer breiten Wiese zum Stehen.
»Auf den Boden«, sagte Trask und kniete sich neben einen Baumstamm, die Armbrust im Anschlag.
Kendra kauerte sich neben Mara. Panische Perytons kamen den Hügel hinabgeschossen, glitten und sprangen über die Wiese. Kendra blieb die Luft weg, als der gewaltige blaue Drache kreisend in Sicht kam und sich der Lichtung näherte. Die Perytons versuchten, der herannahenden Bedrohung auszuweichen, aber der Drache kam schon herangerauscht und riss sie mit Klauen und Schwanz aus der Luft. Als er über der Lichtung war, drehte der Drache den Kopf.
Für einen Moment sah Kendra ein funkelndes Auge, leuchtend wie ein Saphir.
Der Drache bremste abrupt seinen Flug, die Flügel wie Fallschirme von sich gestreckt, und wirbelte herum. Dann tauchte der
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