Die Zuflucht der Drachen - Roman
glaube ich. Ich werde mir die vier langweiligsten einverleiben und für die anderen eine Verwendung als Diener in meiner Höhle finden.«
»Das glaube ich kaum!«, rief eine strenge Stimme. Seth drehte sich um und sah Gavin aus dem Wald schreiten. Er hatte ihn bisher nur auf einem Foto gesehen.
Der Drache blickte auf. »Ein Dritter, der sprechen kann, fast genauso jung wie die anderen. Weder hell noch dunkel. Ich könnte dich zwischen die beiden anderen packen. Wie ein Sandwich. Welcher grausame Mensch hat diese junge Brut nach Wyrmroost geschickt?«
»Kendra, Seth, steigt in den Rucksack«, befahl Gavin.
Der Drache hakte eine Klaue in die Riemen und schleuderte den Rucksack beiseite. »Abgelehnt.«
Gavin öffnete den Mund so weit, dass seine Backenzähne zu sehen waren, und begann zu kreischen und zu quietschen; es klang wie überlautes Delfingeschnatter. Der Drache antwortete noch lauter, eine misstönende Symphonie gequälter Saiteninstrumente. So kreischten sie mehrmals hin und her, bis der Drache seinen funkelnden Blick wieder auf Kendra und Seth richtete.
»Ihr habt da einen einzigartigen Beschützer«, räumte das Drachenweibchen ein. »Ich hatte keine Ahnung, dass es auf der Welt noch Drachenbrüder gibt. Aus Respekt vor seinem außergewöhnlichen Status und seiner überragenden Beredsamkeit werde ich euch und eure Freunde verschonen. Genießt eure Gnadenfrist. Haltet euch hier nicht auf.«
Der Drache sprang himmelwärts, breitete seine gewaltigen Schwingen aus, und Seth hob einen Arm, um seine Augen vor der aufpeitschenden Luft zu schützen. Sobald sie hoch genug war, verschwand die Drachendame schnell außer Sicht und flog in Richtung der anderen Wiese davon.
Gavin kam auf sie zugelaufen. »Bei dir alles in Ordnung?«, fragte er Kendra.
»Alles bestens. Das ist mein Bruder.«
»Das habe ich v-v-v-vermutet«, stotterte Gavin.
Kendra packte Seth an den Oberarmen und schüttelte ihn. »Was machst du hier?«
»Immer mit der Ruhe!« Er schob sie achselzuckend von sich. »Was hast du denn gedacht? Dass ich mich in die Wälder von Fabelheim verzogen habe, um zu schmollen? Ein klein wenig mehr darfst du mir schon zutrauen. Ich habe mich versteckt. Und das war auch gut so. Verstehst du denn nicht, was passiert ist? Zusammen waren wir wie ein Drachenzähmer!«
»Ich war beeindruckt«, bestätigte Gavin. »Ihr habt Nafia in die Augen gesehen und ganz normal mit ihr gesprochen. Keiner der anderen wäre dazu in der Lage gewesen. Ich habe einen Moment zugeschaut, bevor ich mich zu Wort gemeldet habe.«
»Was ist mit den anderen?«, erkundigte sich Kendra.
Gavin zuckte zusammen. »T-T-Tanu ist schwer gestürzt. Ich denke, er ist ohnmächtig geworden. Warren wurde aufgespießt. Er ist gleich am Anfang am Geweih eines Perytons hängengeblieben. Der Peryton hat ihn ein ganzes Stück über den B-B-Boden geschleift. Tut mir leid, dass ich dich für eine Weile aus den Augen verloren habe. Ich hab versucht, ihm zu helfen.«
»Wird er wieder gesund?«, fragte Kendra.
»Er ist verletzt, aber er wird durchkommen.«
»Was hast du dem Drachen gesagt?«, wollte Seth wissen.
»Ich habe einfach den harten Burschen markiert. Sie finden so was putzig. Und natürlich habe ich meinen Anspruch als Drachenbruder geltend gemacht. Ich habe Nafia klargemacht, dass ihr hier alle unter meinem Schutz steht.« Gavin musterte Kendra von Kopf bis Fuß. »Du musst frieren.«
»Ich habe es bis eben gar nicht gespürt«, antwortete sie. Sie hatte die Arme um die Brust geschlungen. Seth konnte sehen, wie sie zitterte.
Gavin lief los und holte den Rucksack. »Steig hinein und such dir Sachen zum Wechseln. Ist alles schon sch-schlimm genug, auch ohne dass du dir eine Lungenentzündung holst.«
Kendra nickte und kletterte in den Rucksack. Seth zog die Klappe zu.
»Sollen wir Warren und die anderen suchen gehen?«, fragte Seth.
»Du kannst meine Gedanken lesen.«
KAPITEL 20
Greife
S ie fanden Warren im Astgewirr unter einem umgestürzten Baum verborgen, wo Gavin ihn zurückgelassen hatte. Kendra zog sich noch immer im Vorratsraum um. Dougan, Gavin und Seth räumten modernde Äste aus dem Weg. Warren sah zu Seth auf und lächelte matt. Die rechte Seite seines Hemds hatte sich mit dunklem Blut vollgesaugt. »Sieht so aus, als wäre die Katze aus dem Sack«, murmelte er.
»Du hast über Seth Bescheid gewusst?«, fragte Dougan.
»Ich könnte von seiner Anwesenheit eventuell Wind bekommen haben.«
Gavin ging in die Hocke und
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