Die Zuflucht der Drachen - Roman
untersuchte die Wunden an Warrens Schulter und Oberkörper. Als er den durchweichten Stoff in der Nähe einer der Stichwunden abtastete, zuckte Warren zusammen. »Hässliche Sache«, sagte Gavin.
»Scharfes Geweih«, stieß Warren hervor. »Keine besonders beeindruckende Todesart. Von einem Hirsch aufgespießt. Schreibt das nicht auf meinen Grabstein. Schiebt es auf den Drachen.«
»Du wirst schon wieder«, beteuerte Dougan aufmunternd, doch aus seinen Augen sprach weit weniger Zuversicht als aus seiner Stimme.
»Wo ist Tanu?«, fragte Warren.
»Der große Bursche hatte einen Sturz«, antwortete Dougan. »Hat das Bewusstsein verloren. Mara und Trask versuchen, ihn wiederzubeleben.«
»Was hat das Drachenweibchen aufgehalten?«, erkundigte sich Warren.
»Gavin hat mit ihr gesprochen«, antwortete Seth. »In Drachensprache. Es war echt unheimlich. Er hat sie beruhigt und weggeschickt.«
»Seth und Kendra haben eine gute Figur gemacht«, meinte Gavin anerkennend.
»Tut mir leid, das schwache Glied in der Kette zu sein«, murmelte Warren. »Der Hirsch hat mich durchbohrt und ist einfach weitergelaufen. Ich war ziemlich lange auf dieses Geweih gespießt. Lange genug, um es voll mitzubekommen, versteht ihr? Um drüber nachdenken zu können.«
Trask und Mara kamen vom Hügel herabgelaufen, angeführt von Tanu. Der kräftige Samoaner funkelte Seth an. »Was machst du hier?«
»Sie haben mich bei Ihrer Inspektion übersehen«, erwiderte Seth.
»Na klasse«, brummte Tanu. Er ließ sich neben Warren auf die Knie fallen. »Tut mir leid, dass ich spät dran bin.«
»Ich habe gehört, du hast dir den Kopf gestoßen«, sagte Warren.
Tanu strich sich mit einem verlegenen Grinsen durch das dicke, dunkle Haar. »Keine Ahnung, was passiert ist. Ich muss gestolpert und auf einen Stein gefallen sein.« Er förderte ein Messer zutage.
Warren verzog das Gesicht, als Tanu begann, sein Hemd aufzuschneiden. »Tut mir leid mit dem Stein.«
Tanu zuckte die Achseln. »Er hat mir ganz schön eins verpasst. Ich bin noch nie k. o. gegangen. Dicker Schädel.« Er schnitt einen breiten Stoffstreifen ab.
Warren beäugte das Messer. »Dir ist doch nicht schwindlig oder so was?«
»Schwindlig arbeite ich am besten.« Tanu riss einen weiteren Streifen blutverschmiertes Hemd weg. Er legte das Messer beiseite, stöberte in seiner Tasche, fischte eine kleine Flasche heraus, schraubte sie auf und nippte daran.
»Und ich?«, maulte Warren. »Wie wär’s mit einem Schlückchen?«
Tanu blinzelte und biss die Zähne zusammen, dann schüttelte er energisch den Kopf. »Das Zeug ist nichts für dich. Das soll mir den Kopf klar machen, meine Sinne schärfen. Vertrau mir, du brauchst jetzt eher was Benebelndes.«
»Du bist der Arzt.«
Tanu stöberte abermals in seiner Tasche. »Strenggenommen nicht.«
»Okay, na ja, dann eben der Medizinmann.«
»Versuch’s mal damit.« Tanu goss ein wenig Flüssigkeit auf einen Wattebausch, dann wedelte er damit unter Warrens Nase.
»Donnerwetter«, sagte Warren und begann leicht zu schielen. »Das kommt der Sache schon näher.«
Tanu beugte sich vor und begann sorgfältig eine Paste auf die Wunden aufzutragen.
Kendra stieß die Rucksackklappe auf. Gavin beugte sich vor und half ihr hinaus.
»Wie geht es Warren?«, fragte Kendra beim Herausklettern.
»Wir werden ihn wieder hinkriegen«, antwortete Tanu. »Wir müssen ihn in den Rucksack bringen und das Horn herausholen.«
»Wird es ihn heilen?«, fragte Seth.
Tanu schüttelte den Kopf. »Das Horn kann nicht heilen. Es reinigt nur. Wenn er das Horn in der Hand hält, sollte das eine Infektion verhindern und eventuelle Gifte neutralisieren.«
Kendra nickte. »Was ist mit Ihnen?«
Tanu zuckte die Achseln. »Ich habe leichte Kopfschmerzen. Den schlimmsten Knacks aber hat mein Stolz abbekommen.«
» Dein Stolz?«, murrte Warren mit schwerer Zunge. »Ich bin von einem Hirsch besiegt worden!«
»Von einem riesigen magischen Flughirsch mit Reißzähnen«, berichtigte Seth und wiederholte damit die Beschreibung, die Gavin ihm zuvor gegeben hatte.
»Das klingt schon ein wenig besser«, räumte Warren ein. »Seth übernimmt das mit meinem Grabstein.«
»Sprich nicht«, meinte Tanu besänftigend. »Entspann dich. Atme durch. Du brauchst Ruhe.«
Gavin und Kendra waren einige Schritte zur Seite getreten. Seth gesellte sich zu ihnen. Seine Schwester funkelte ihn zornig an.
»Was denn?«, fragte er.
»Du solltest nicht hier sein«, schnauzte Kendra ihn
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