Die Zuflucht der Drachen - Roman
Kendra zurück und biss geräuschvoll in eine Scheibe Toast.
» Ich mache mir etwas daraus«, erwiderte Torina. »Wie ist das Frühstück? Ich habe es selbst gemacht. Extra für dich.«
»Ich werde den Sphinx auf alle Fälle wissen lassen, was für eine tolle Hausfrau Sie sind.«
»Ich werde den Wohlklang deines Sarkasmus vermissen«, meinte Torina mit einem Schmollmund. »Fertig mit dem Essen?«
»Sie haben mir nicht viel Zeit gelassen.«
»Er ist früh dran.«
»Warum lassen wir nicht einfach das Duschen ausfallen?«
Torina kicherte nervös. »Im Ernst. Komm jetzt, oder ich werde dich von Jameson schrubben lassen.«
Kendra trank den Rest ihres Safts. »Sie haben gewonnen.« Im Aufstehen schnappte sie sich noch einen letzten Bissen Toast, dann folgte sie Torina in das luxuriöse Badezimmer. Schon bald stand Kendra unter einem warmen Wasserstrahl und fragte sich, wie sich die bevorstehende Begegnung wohl entwickeln würde. Seit der Zusammenkunft der Ritter der Morgenröte im vergangenen Sommer hatte sie den Sphinx nicht mehr gesehen, und damals hatte er sich hinter einer Maske versteckt. Was würde er mit ihr machen – jetzt, da er als Feind enttarnt war?
Kendra versuchte, nicht zu sehr ins Grübeln zu geraten. Wenn sie sich Sorgen machte, würde sie das nur aus der Fassung bringen. Sie musste sich entspannen und bereit sein, mit den Problemen fertigzuwerden, die sich ihr stellten, und sich nicht von ihren Fantasien ablenken zu lassen.
Nachdem sie die Dusche beendet und sich abgetrocknet hatte, zog Kendra die schwarze Hose und die Bluse an, die Torina für sie bereitgelegt hatte. Im Spiegel sah ihr Outfit ziemlich hübsch aus. Dann ging sie in Torinas Zimmer, doch die blonde Lektoblix bestand darauf, dass Kendra sich von ihr eine Frisur machen ließ. Widerstrebend setzte sie sich auf einen Stuhl vor dem Badezimmerspiegel, während Torina ihr das Haar in sanfte Locken legte.
»Wie gefällt’s dir?«, fragte sie schließlich und versprühte einen letzten Spritzer Haarspray.
Kendra drehte den Kopf von einer Seite zur andern. Das Endergebnis sah tatsächlich fabelhaft aus. »Ich schätze, damit bin ich bestens für mein Date vorbereitet.«
»Es freut mich, dass dir immer noch nach Scherzen zumute ist. Und die Schönheitsinspektion hast du jetzt auch bestanden. Wollen wir?«
Kendra folgte Torina die Treppe hinunter. Auf dem Weg in den hinteren Teil des Hauses nahm sie am Rande eine Gruppe von Erwachsenen wahr, die im Wohnzimmer zusammensaßen, aber ihr Hauptaugenmerk galt der Richtung, in die Torina ging. Vor einer schweren Holztür blieb sie stehen und klopfte zweimal an, dann öffnete Torina die Tür und schenkte Kendra ein zuckersüßes Lächeln, das so viel sagte wie: Du bist jetzt nicht mehr mein Problem.
Als Kendra das Arbeitszimmer betrat, erhob sich der Sphinx, um sie zu begrüßen. Das letzte Mal hatte sie ihn in Fabelheim ohne Maske gesehen, als sie vor der Stillen Kiste gestanden hatten. Er war schlicht gekleidet, das braune Hemd hing ihm über die Anzughose, und er war barfuß. Kurze, mit Holzperlen verzierte Dreadlocks umrahmten sein altersloses Gesicht. Kendra hörte vage, wie die Tür hinter ihr geschlossen wurde.
Der Sphinx umfasste liebevoll ihre Hand. »Ich freue mich ja so sehr, dich wiederzusehen«, sagte er mit weicher Stimme, und sein Akzent beschwor in Kendras Geist Bilder von Tropeninseln herauf. Die Begrüßung war so herzlich und sanft, dass sie sich beinahe entspannt hätte.
»Ich wünschte, ich könnte das Gleiche sagen«, antwortete sie vorsichtig und zog ihre Hand zurück.
»Bitte«, sagte der Sphinx und deutete auf einen von zwei einander gegenüberstehenden Stühlen. Sie nahmen Platz. »Du hast reichlich Grund, frustriert zu sein.«
»Sie sind ein Verräter«, erklärte Kendra. »Was seid ihr für Leute, die so tun, als wären sie nett, und mich gleichzeitig gefangen halten? Torina hat die gleiche Persönlichkeitsstörung. Was wollen Sie von mir?«
»Ich will dir nichts Böses«, erwiderte der Sphinx ungerührt. »Ich muss ein Gespräch mit dir führen. Es war eine schwierige Aufgabe, dich in die Falle zu locken, jetzt, da ich bei deinen Lieben in Ungnade gefallen bin.«
»Sie meinen, jetzt, wo Sie das Artefakt aus Fabelheim gestohlen, einen Dämonenprinzen aus der Gefangenschaft freigelassen, die Verlorene Mesa in Schutt und Asche gelegt und dafür gesorgt haben, dass Lena getötet wurde?«
Der Sphinx beugte sich vor, und seine unergründlichen Augen funkelten
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