Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zuflucht der Drachen - Roman

Die Zuflucht der Drachen - Roman

Titel: Die Zuflucht der Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penhaligon Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
und einer schwarzen Schmalzlocke betrat den Raum. Eine greise, braunhäutige Frau mit drahtigem, grauem Haar legte ihre runzlige Hand auf seinen Ellbogen. Ihr fadenscheiniger, selbstgewebter Schal bildete einen starken Kontrast zu seinem feinen Nadelstreifenanzug.
    »Kendra, ich möchte dir Darius und Nanora vorstellen.«
    »Hocherfreut«, schniefte Darius und musterte Kendra missbilligend von Kopf bis Fuß, während Nanora sie nur stumm anstarrte. Sabberte sie etwa? »Ich verstehe, dass es dir widerstrebt, mir anzuvertrauen, was du über die Artefakte weißt.«
    »Da gibt es nichts anzuvertrauen.«
    »Lass mich das selbst beurteilen«, erklärte Darius. Es schien, als gäbe er sich alle Mühe, möglichst liebenswürdig zu erscheinen. Er legte einen Daumen an die Schläfe. Nanora hob ihre Gichthände, verknotete ihre Fingern zu einem komplizierten Muster und spähte mit einem Auge durch eine Öffnung dazwischen. Darius legte die Stirn in Falten und machte einen Schritt auf Kendra zu. Nanora trat einen Schritt zurück.
    Anscheinend versuchten sie, ihre Gedanken zu lesen. Mit aller Macht, die sie aufbringen konnte, sandte Kendra im Geiste die Nachricht aus: »Ihr seid beide Idioten.«
    Darius sah den Sphinx an. Der nickte kaum merklich. »Halt still, Kendra«, sagte der Sphinx.
    »Denk nicht an die Artefakte«, gurrte Darius, beugte sich vor und legte Kendra eine Fingerspitze auf die Stirn. Dann presste er die Augen fest zu.
    Kendra starrte auf den klobigen Goldring an seinem dicken kleinen Finger, während Nanora mit offenstehendem Mund näher herangewankt kam. Kendra konnte sehen, dass sie kaum noch Zähne hatte.
    »Zu klug«, schnarrte Nanora. Es klang, als wäre ihr Mund voll Speichel.
    Darius trat verblüfft zur Seite. »Nichts. Sie hatten recht. Sie wäre wirklich eine interessante Kandidatin.«
    »Das überrascht mich nicht«, erwiderte der Sphinx. »Lassen Sie Mr Lich das Objekt hereinbringen.«
    »Wenn Sie wollen, könnten wir versuchen …«
    Der Sphinx schnitt ihm mit der Hand das Wort ab.
    »In Ordnung«, sagte Darius und verließ den Raum.
    »Dein Geist ist undurchleuchtbar, Kendra«, erklärte der Sphinx. »Hellseher sind nicht mein einziges Mittel, deine Geheimnisse aufzudecken, nur das bequemste.«
    »Zumindest sind die beiden hereingekommen, ohne dass Sie auch nur einen Ton gesagt hätten«, entgegnete Kendra. »Das war schon irgendwie beeindruckend.«
    Darius kehrte in Begleitung von Mr Lich und einer Gestalt mit einer Maske zurück. Ehrfürchtig trug Mr Lich ein kleines, rotes Kissen vor sich her, auf dem etwas unter einem Tuch aus rosafarbener Seide verborgen war. Der Sphinx deutete auf einen niedrigen Tisch, den Darius zwischen Kendra und den Sphinx schob, und Mr Lich legte das Kissen darauf.
    Der Sphinx streckte die Hand aus und zog das Tuch weg. Auf dem Kissen lag ein kugelförmiger Kristall mit unzähligen Facetten. »Der Okulus!«, erklärte er feierlich.
    »Sieht teuer aus«, bemerkte Kendra.
    »Knie dich neben den Tisch«, wies der Sphinx sie an, »und lege eine Hand auf die Kugel.«
    »Soll ich sie wieder aufladen? Wird sie mir meine Geheimnisse heraussaugen?«
    Mr Lich deutete auf den Kristall, stieß ein kurzes Brummen aus und blickte mit seinem langen humorlosen Gesicht auf Kendra hinunter. Selbst damals, als sie den Sphinx noch für einen Verbündeten gehalten hatte, hatte der hochgewachsene Asiate sie nervös gemacht.
    Der Sphinx hob eine Hand. »Mr Lich versucht zu sagen, dass wir dich zwingen werden, den Kristall zu berühren, wenn du dich weigerst. Das wäre weitaus gefährlicher für dich, als wenn du es freiwillig tust.«
    »Was ist das?«, fragte Kendra.
    »Der Okulus wird auch die unendliche Linse, das allsehende Auge genannt. Er ist das Urbild, das alle Sehsteine und Wahrsage-Utensilien verzweifelt nachzuahmen versuchen. Er ist das Artefakt aus dem brasilianischen Reservat.«
    »Sie haben noch ein weiteres Artefakt gefunden!«, rief Kendra aus.
    »Als wir uns das erste Mal unterhielten, habe ich das Thema Geduld erwähnt. Ich habe viele Jahrhunderte lang große Geduld geübt, habe geforscht, mich vorbereitet, heimlich unterwandert. Aber Geduld ist nutzlos ohne den Willen, entschlossen zu handeln, wenn der richtige Moment gekommen ist. Und jetzt ist diese langersehnte Gelegenheit endlich da. Viel früher, als du ahnst, Kendra, werde ich alle Artefakte besitzen.«
    »Ich werde den Okulus nicht für Sie aufladen.«
    Der Sphinx lachte leise. »Das musst du auch gar nicht. Der Okulus

Weitere Kostenlose Bücher