Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
nicht vorgestellt, so nicht!
Man fühle sich total hilflos als Mutter. Wenn sie sich nicht jeden Tag in ihre
Fantasiewelt flüchten dürfte, würde sie nur noch weinen.
Das war kein sehr erbaulicher Besuch, fand
Marie. Deshalb verabschiedete sie sich nach der zweiten Tasse Kaffee von ihr,
stieg in den Bus und fuhr los.
Zuerst ging auch alles gut. Sie verließ das
Wohngebiet, passierte eine Brücke und bog schließlich auf die vierspurige
Hauptverkehrsstraße ein, die sie zu ihrem Heimatstadtteil führen sollte.
Doch dann passierte es: Der Motor des Busses
fing an zu ruckeln, gab komische Geräusche von sich und ging schließlich ganz
aus. Ein paar Sekunden lang waren nur das Scheppern der Karosserie und das
Quietschen der Reifen auf dem Asphalt zu hören. Marie schaffte es gerade noch,
den Warnblinker einzuschalten und den Wagen auf eine Bushaltestelle zu
bugsieren, bevor er endgültig zum Stillstand kam.
Danach saß sie benommen hinter dem Lenkrad und
wusste nicht, was sie tun sollte. Schließlich löste sich ihre Erstarrung, und
sie begann mit den Wiederbelebungsversuchen. Aber der Motor wollte sich nicht
wieder in Gang bringen lassen, egal, was sie tat. Also gab sie es auf, zog ihr
Telefon aus der Hosentasche und flehte Bulli um Hilfe an.
Es dauerte ewig, bis er kam, und in dieser Zeit
starb Marie tausend Tode. Die Autofahrer, die an ihr vorbeirauschten, blickten
sie nur mit einem schadenfreudigen Lippenkräuseln an, Othello, der überhaupt
nicht mehr wusste, was los war, drehte jetzt vollkommen durch, und die Fahrer
der Stadtbusse, denen sie im Weg herumstand, machten ihrem Unmut mit wütenden
Hupkonzerten Luft. Einmal hielt ein silbergrauer Kombi hinter ihr an. Ein
dunkelhaariger Typ stieg aus, kam auf Marie zu und fragte, ob sie Hilfe
brauche. Nein, sagte sie barsch. Und wenn, würde sie ihm schon rechtzeitig
Bescheid sagen. Er solle seine verdammte Karre da wegfahren und sie in Ruhe
lassen. Da brummte er etwas wie „Immer ruhig Blut, junge Dame!“ vor sich hin,
stieg in sein Auto und fuhr davon.
Als Bulli endlich kam, verlor er kein Wort über
den verreckten Bus, sondern nahm Marie in die Arme und wollte sie gar nicht
wieder loslassen. Das regte sie noch mehr auf. Nicht, weil er wieder bis zu den
Ellenbogen mit Ölstriemen verschmiert war, sondern weil er in dieser Situation
die Ruhe weg hatte. Er solle zum Teufel noch mal dafür sorgen, dass der Wagen
wieder anspringe, sagte sie mit hysterischer Stimme und machte sich von ihm los.
Bulli tat sein Bestes, um das Problem in den
Griff zu bekommen, aber irgendwie schien bei ihm heute eine Schraube im Kopf
locker zu sein. Als er die Motorhaube öffnete, klemmte er sich die Finger wund,
beim Herumstochern in den Innereien des Motorraums ging er äußerst lasch zu
Werke, und als er Marie mitteilte, dass er den Fehler nicht finden könne und
den Bus jetzt mitnehmen würde, lächelte er nur feinsinnig vor sich hin. Sie
musste ihm sogar zeigen, wie man das Abschleppseil an den beiden Ösen
befestigt. Dabei war er der Mechaniker. Aber der Kerl war heute zu nichts zu
gebrauchen. Das ging so weit, dass Marie ihn am liebsten gewürgt hätte.
Was denn los sei, fauchte sie ihn an, als
wieder ein Linienbus auf sie zuhielt und sie mit Pauken und Trompeten vom Platz
scheuchen wollte. Da gestand er ihr mit schwärmerisch verdrehten Augen und
verträumter Stimme, dass er verliebt sei. Den Namen der Frau wollte er nicht
verraten, aber Marie erfuhr, dass sie das hübscheste Konfirmandengesicht habe,
das man sich vorstellen könne, und dass sie wahnsinnig nett sei.
Der Weg bis zur Werkstatt war ein Albtraum.
Marie hing an der langen Leine, konnte den Bus mangels Antrieb,
Bremskraftverstärkung und Servolenkung kaum unter Kontrolle halten und drehte
fast durch, weil Othello die ganze Zeit um sich keilte und in den höchsten
Tönen jaulte.
Als sie schließlich angekommen waren, ergab
sich keine Gelegenheit mehr, Bulli nach seiner neuen Flamme zu fragen, denn er
stieg sofort aus dem Wagen und verschwand in seiner Bühnenversenkung. Also nahm
Marie Othello an die Leine und machte sich zu Fuß auf den Heimweg.
Zu Hause dann der nächste Schock.
Der Filialleiter der Bank hatte ihr eine
Nachricht auf den Anrufbeantworter gesprochen und forderte sie auf, am
folgenden Tag um neun Uhr bei ihm zu erscheinen. Sie hätten Gesprächsbedarf.
Eins war jetzt schon klar: Der Mann würde wieder kalt wie eine Hundeschnauze
sein. Als Marie sich die Situation vorzustellen versuchte, fielen
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