Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
Kraftstoffzuführung zu tun gehabt, erfuhr sie
von Bulli. Nichts Dramatisches also. Er gab ihr trotzdem den Rat, den Wagen
demnächst zu entsorgen, denn seine Tage seien ohnehin gezählt.
Da bat Marie ihn, sich für sie umzuschauen.
Wenn er irgendwo einen neuen Gebrauchten für sie auftreiben könnte, wäre sie ihm
auf ewig dankbar.
Später, auf dem Hundeplatz, rief sie Jonas an
und lud ihn für abends zum Essen ein.
Als sie ihn gegen halb zehn abholen wollte,
bastelte er gerade an einem Modell, das er in den nächsten Tagen abliefern
musste. Was für eine irre Fummelei, dachte Marie, als sie sah, wie er mit
Cutter, Pappzuschnitt und Klebstoff herumwirbelte und dabei ein erstaunlich
plastisches Ergebnis produzierte. Er schien eine immense feinmotorische
Begabung zu haben und war ein Meister des Details. Im Gegensatz zu ihr. Sie
hatte sich schon als Kind beim Basteln blöd angestellt. In der Beziehung hatte
sie zwei linke Hände und das Niveau einer Dreijährigen.
Dafür konnte sie Jonas im Chinarestaurant mit
ihren Sprachkenntnissen überraschen. Weil ihr Vater sie im Zuge frühkindlicher
Karriereplanung für den asiatischen Markt fit machen wollte, hatte er dafür
gesorgt, dass sie Mandarin lernte. Jonas war tief beeindruckt. Vor allem, als
er erfuhr, dass sie neben Deutsch, Englisch, Französisch und Mandarin auch noch
Spanisch und ein paar Brocken Kantonesisch, Hebräisch und Jiddisch konnte. Im
Übrigen staunte er über ihre neue Liquidität. Nach dem dritten Glas
Pflaumenschnaps fragte er sie, woher das Geld stamme. Sie erzählte es ihm, und
er nahm die Sache zur Kenntnis, ohne sie groß zu kommentieren.
Das rechnete Marie ihm hoch an: dass er kein
Theater um ihre Herkunft und alles, was damit zusammenhing, machte. Weder
stellte er das Thema in den Vordergrund noch wich er ihm krampfhaft aus. Er
ging einfach unbefangen damit um, und das war gut so. Im Laufe der Zeit hatte
sie feine Antennen dafür entwickelt, was falsch und was richtig war. Falsch war
es zum Beispiel, wenn jemand vor Entgegenkommen fast überquoll, wenn er mit ihr
zusammen war. In Jonas’ Fall befand sie: Er machte alles richtig.
Trotzdem oder gerade deswegen blieb tief in
ihrem Inneren ein winziger Rest von Argwohn. Nicht nur, was die Vergangenheit,
sondern auch, was die Gegenwart betraf. Neulich war Jonas schon wieder von
einer Frau auf der Straße gegrüßt worden. Von einer jungen und sehr schönen
Frau, wohlgemerkt. Er hatte behauptet, sie nicht zu kennen, aber während er das
sagte, war er Maries Blick ausgewichen und hatte einen roten Kopf bekommen. Da
war doch was faul. Ob er nicht doch ein Mann war, der sich sagte: „Ich probier
sie alle mal aus, damit ich am Ende wenigstens eine abbekomme.“? Zumindest gab
es in der Beziehung eine lange Reihe von Eigentümlichkeiten und Widersprüchen.
Aber heute schaffte sie es, gegen ihre Zweifel
anzutrinken, und sie wurde auch nicht sauer, als Jonas nach dem fünften Glas
Pflaumenschnaps wieder auf ihre Entführung zu sprechen kam. Das war der einzige
Punkt, bei dem er keine Ruhe geben wollte.
„Was haben sie mit dir gemacht, diese
Schweinehunde?“, fragte er in mindestens zehn verschiedenen Versionen und in
einem noch nie da gewesenen, sehnsüchtig-forschenden Tonfall. Dann fing er auch
noch an, ihr über den Rücken zu streichen, damit sie sich entspannte und
vielleicht doch noch von den dunkelsten Stunden und Tagen in ihrem Leben berichtete.
Aber sie verlor kein Wort darüber.
Auf dem Rückweg nahmen sie sich ein Taxi. Als
sie sich später vor Marie Haustür verabschiedeten wollten, küsste Jonas sie mit
einem derart leidenschaftlichen Genuss, dass sie ihn am liebsten mit nach oben
genommen hätte. Aber da war die Angst, im letzten Moment doch noch kopfscheu zu
werden …
99,9 Prozent aller Leute hatten sich nicht mehr
unter Kontrolle, wenn sie betrunken waren. Marie gehörte zu dem restlichen
Zehntelprozent. Leider.
Also drückte sie Jonas einen Fünfziger in die
Hand, damit er das Taxi bezahlen konnte, wühlte noch ein letztes Mal ihre
Finger in seine Haare und sprang dann schneller aus dem Wagen, als er sie
festhalten konnte.
Kapitel
16
Am Freitagabend wollte
Marie für Jonas kochen. Es gab nämlich etwas zu feiern.
Bulli hatte das Kunststück fertiggebracht, ihr
innerhalb weniger Tage einen neuen Bus zu besorgen und ihn für die Hunde
herzurichten. Das war schon ein tolles Gefühl. Zumal er bereits vollständig
bezahlt war. Das war überhaupt das Beste.
Jonas und sie
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