Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
ihr noch mehr
Vergleiche ein: hundemüde sein, sich hundeelend fühlen, ein Hundeleben führen,
finanziell vor die Hunde gehen …
Was sollte sie ihm bloß sagen?
Als sie abends zu Bett ging, wollte sie so
schnell wie möglich einschlafen, denn es gab keinen Grund, diesen Scheißtag
über Gebühr zu verlängern. Aber sobald sie die Augen schloss, begannen ihre
Gedanken zu rotieren und Amok zu laufen.
Zahlungsunfähigkeit! Das Wort zuckte wie ein
Gewittersturm durch ihr Gehirn.
Andere Leute schrieben jetzt ein nettes
Briefchen an ihre Bank, in dem stand, dass sie ihren Verpflichtungen nicht mehr
nachkommen könnten, dass sie keinen persönlichen Kontakt wünschten und dass das
Institut kein Inkassounternehmen einschalten solle, weil es bei ihnen eh nichts
zu holen gäbe.
Aber das ging in Maries Fall nicht. Sie war
nicht wie die anderen Leute. Sie konnte sich ja nicht mal bei einer Schuldnerberatung
anmelden. Sie war zur Untätigkeit verdammt.
Obwohl … Eigentlich auch nicht.
Irgendwann setzte sie sich im Bett auf,
umfasste ihre Knie und starrte mit schwimmenden Augen ins Zwielicht. Das alte
Küchenlied, das Tante Sophie immer vor sich hin gesummt hatte, fiel ihr wieder
ein: Mariechen saß weinend im Garten …
Als sie Othellos nasse Nase an ihrer Wange
spürte, rief sie sich wieder zur Ordnung. Fang bloß nicht an zu heulen, Marie
Wagner!, dachte sie, legte die Arme um den Nacken des Hundes und vergrub ihr
Gesicht an seinem Hals. Die Mariechennummer nimmt dir eh keiner ab. Okay, du
kannst dich nicht mit eigener Kraft aus der Misere befreien, und du hast auch
keine Lust mehr, auf die gute Fee mit dem Lottogewinn oder den edlen Ritter mit
dem Ledersack zu warten. Aber du hast durchaus noch eine Möglichkeit, das Ruder
herumzureißen. Setz dein Piratentuch auf, fahr deinen Laptop hoch und unternimm
was. Du hast immer noch Plan C in petto.
Ihre Bonität war nämlich gar nicht so
eingeschränkt, wie sie sich selbst und andere immer glauben machen wollte. Als
Tante Sophie gestorben war, hatte sie ihr einen Riesenbatzen Geld hinterlassen.
Einen Teil davon hatte Marie seit Jahren bei einer deutschen Onlinebank
geparkt, ohne es je anzurühren. Es gab da auch noch zwei Nummernkonten in der
Schweiz. Die waren Fluch und Segen zugleich, weil sie für den absoluten Notfall bestimmt waren. Aber an den mochte Marie im
Moment nicht denken. Das hätte ihr den Rest gegeben.
Nachdem sie sich zum Handeln entschlossen
hatte, ließ sie Othello wieder los, loggte sich bei ihrer Onlinebank ein und
tat das, was sie die ganze Zeit hatte vermeiden wollen: Sie überwies eine
stattliche vierstellige Summe von ihrem dortigen Tagesgeldkonto auf ihr
Girokonto bei der Hausbank. Danach blieb immer noch ein schwindelerregend hoher
Betrag auf dem angegliederten Festgeldkonto übrig.
Anschließend schaltete sie den Rechner aus,
sank in ihre Kissen zurück und vergoss ein paar Tränen. Aber nicht vor
Verzweiflung, sondern vor Erleichterung. Sie kam sich wie ein Taucher vor, der
beinahe abgesoffen wäre und im letzten Moment die rettende Oberfläche erreichen
konnte. Jetzt hatte sie sich zum ersten Mal von einem anderen Menschen helfen
lassen, wenn auch nur postum. Dabei hatte sie das immer gehasst: dass sich eine
Sache von selbst erledigte, ohne ihr Zutun, und dass ihr etwas zufiel, ohne ihr
Zutun. Schließlich wollte sie für ihre Erfolge belohnt werden, nicht für ihre
Fehlschläge.
Trotzdem war es gut, dass sie sich in dieser
Situation überwunden hatte. Vielleicht ging sie ja doch noch gestärkt und
geläutert aus der Krise hervor. Und wenn nicht, konnte sie wenigstens nach
außen hin das Gesicht wahren. Niemand wusste, woher das Geld stammte, und das
sollte auch so bleiben. Nur Jonas und Bulli würde sie davon erzählen und
vielleicht noch Danny. Obwohl ihre Neigung, sich der Freundin anzuvertrauen, in
letzter Zeit deutlich nachgelassen hatte.
Als sie genug vor sich hin geschnieft hatte,
fühlte sie sich erstaunlicherweise gar nicht so schlecht. Sie hatte sich das
Geld nur von Tante Sophie „geliehen“, redete sie sich ein, und wenn es ihr
finanziell wieder besser ging, wollte sie es ihr auf Heller und Pfennig
zurückzahlen.
Nein, es war gut so. Es lebte sich einfach
besser, wenn man nicht mehr am wirtschaftlichen Abgrund stand.
Der Termin in der Bank erübrigte sich nun wohl.
Da Marie jetzt wieder bei Kasse war, war es
auch kein Problem für sie, am nächsten Morgen die Reparatur des Busses zu
bezahlen. Es hatte was mit der
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