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Die Zusammenkunft

Die Zusammenkunft

Titel: Die Zusammenkunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Bauers
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erkannte er ihre Umrisse sofort. Ihre Körperhaltung strahlte Selbstsicherheit aus. Sie trat aus dem Zimmer, lehnte sich an die Brüstung des kleinen Balkons und starrte auf den Rasen. Hier stand keine schwache Frau vor ihm!
    Es war eine fließende Bewegung, mit der sie die Tre ppe hinunterlief und losrannte, als ginge es um ihr Leben. Nur zwei Meter neben ihm blieb sie mit ausgestrecktem Arm an einen Baum gestützt stehen. Schwer atmend beugte sie sich nach vorne.
    Er hatte sich aus dem Schatten gelöst und war hinter sie getreten, und dann war alles sehr schnell, zu schnell gegangen. Durch ihre schnellen Angriffe hatte er keine Zeit gefunden, zu überlegen. Seine Reflexe hatten instinktiv auf ihre Attacken reagiert. Als sie ihren Kopf hochriss und ihm mit einem Krachen die Nase brach und Schmerz und Blut seinen Blick trübten, traf ihn ihr Blick wie ein Blitz. Licht funkelte in ihren Augen, und er spürte, wie sie für nur einen kleinen Augenblick ihren Körper verließ. Dann hatte sie sich aufgebäumt und ihn angekeucht. »Du Mistkerl hast mich getötet … du hast mich getötet!« Und dann war der Kampf plötzlich so schnell vorbei gewesen, wie er begonnen hatte und sie lag bewusstlos vor ihm. Stöhnend hatte er sich aufgerichtet, voller Angst, er könne sie wieder einmal getötet haben. Aber dann hatte er ihren Atem wahrgenommen. Sie lebte.
    Er tastete nach seiner Nase, die er stöhnend mit einem schnellen Ruck richtete. Sie hatte aufgehört zu bluten. Er sah sich um. Ihr Kampf war unbeobachtet geblieben und er überlegte krampfhaft, was er mit ihr tun sollte. Unmö glich, sie hier einfach liegen zu lassen, aber er konnte sie auch schlecht mitnehmen und unbemerkt zum Auto tragen.
    Irgendwie tat sie ihm ein wenig leid, schien sie doch erst in den letzten wachen Sekunden begriffen zu haben, wer sie war und wer er war; er, ihr Mörder bei einer Schlacht, die mehr als zweitausend Jahre zurücklag. Wenn er ehrlich war, hatte er nicht das Bedürfnis, in ihrer Nähe zu sein, wenn sie mit dieser Erkenntnis aufwachte. Er wartete noch ein paar Minuten, dann hob er sie vo rsichtig hoch und steuerte auf die offene Balkontür zu, aus der sie vor nicht ganz zehn Minuten getreten war.
    Er legte sie vorsichtig auf das Bett. Ihre Gesichtszüge wirkten entspannt. Sie war barfuß. Das zerrissene Kleid war hochgerutscht und gab den Blick auf ihre zerfetzten Strümpfe, ihren String und ihre kräftigen, glatt rasierten Beine frei. Selbst in ihrer Ohnmacht hatte sie nichts U nterwürfiges. Ihre Hände waren kräftig, ihre Oberarme muskulös, ohne maskulin zu wirken. Nichts an ihr wirkte schwach, und ihre geschmeidige Weiblichkeit ließ ihn sie einen Augenblick länger anstarren, als nötig gewesen wäre. Dann endlich riss er seinen Blick von ihr los und deckte sie zu. Gerne hätte er ihr Gesicht gesäubert und sie noch einmal berührt, aber etwas hielt ihn zurück. Heute Abend hatte sie sich seinen Respekt verdient.
    Bevor er ging, öffnete er ihre Handtasche und fand in ihrem roten Filofax sofort, wonach er gesucht hatte. Ihrem Ausweis zufolge war ihr Name Sirona Kern, 45 Jahre, wohnhaft in Lippstadt. In den Lederschlitzen steckten Visitenkarten zweier Firmen. Er nahm jeweils eine an sich, dann hielt er inne.
    Sirona, so hieß die keltische Göttin der Quellen, der Fruchtbarkeit und Heilung. Konnte das Zufall sein? Er trat noch einmal an ihr Bett und betrachtete sie einen Moment, als wolle er sich ihren Anblick so gut wie möglich einprägen und nie wieder vergessen. Bevor er den Raum verließ, stellte er ihre Schuhe ordentlich von innen neben der Tür ab, dann zog er die Terrassentür fest hinter sich zu.
    Unbeobachtet stieg er in seinen Mercedes und fuhr nach Hause.
    In seinem Schlafzimmer betrachtete er sein Gesicht.
    »Scheiße!«, fluchte er und ging ins Bad, um das Blut abzuwaschen. Der Smoking und das Hemd waren ruiniert. Für die nächste Oper würde Aluinn einen neuen besorgen müssen. Nachdem er die blutverschmierten Kleidungsst ücke in die Ecke geworfen hatte, stieg er unter die Dusche und rieb sich seine Rippen; die Kleine hatte einen ganz schön festen Schlag.
    Kurze Zeit später fiel er auf sein Bett und in einen u nruhigen, aber traumlosen Schlaf.

R obert hatte sie nicht ganz fünf Stunden nach ihrer Abfahrt aus Dresden zu Hause abgesetzt. Sie vereinbarten, dass sie nach den Ereignissen an diesem Wochenende doch lieber zwei Tage im Bett verbringen sollte. Schließlich war sie über ihren Firmenlaptop sowieso immer

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