Die Zusammenkunft
ich habe es Ende des 16. Jahrhunderts bauen lassen, die Entwürfe stammen von mir. Interessiert Sie das Haus? Ich kann Sie gerne einmal herumführen.«
Sie wurde unsicher. Sie standen hier etwas steif herum, daher würde eine kleine Führung vielleicht die Situation auflockern, aber gleich allein mit ihm ins Haus zu verschwinden? Sie war unschlüssig. Claire hatte ihr mehr als einmal geraten, einfach ihren Instinkten zu vertrauen und den Verstand auch mal auszuschalten, und auch Taamin hatte ihr dasselbe vor die Füße geworfen.
»Sehr gern, ich würde mir das Haus gern einmal ans ehen.«
Ihr war, als wäre er ein wenig überrascht, dass sie das Risiko einging, mit ihm allein hineinzugehen. Dennoch führte er sie galant die große Freitreppe hinauf. Als sie sich umdrehte, begegnete sie Taamins Blick, der er ihr auffordernd zunickte. Dann sah sie in die weichen, warmen Augen seines Vaters, der sie bewundernd betrachtete. Sie schenkte beiden ein Lächeln, um zu signalisieren, dass es ihr gut ging.
Darken öffnete das hohe Portal, ließ sie eintreten und schloss die mächtige Tür hinter ihnen wieder. Eine angenehm kühle Luft umfing sie. Sie war mit ihm allein, in einer großen Halle, in seinem Haus. Von dem Sonnenlicht noch etwas geblendet, schien es im Raum auffallend dunkel zu sein, und sie benötigte einen Moment, bis sich ihre Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Sie verspürte ein Gefühl von Wohlbehagen, spürte Darken dicht an ihrer Seite, an ihrem Arm, und es fühlte sich gut und richtig an.
Die Halle war halbkreisförmig, in ihre Wände waren Türen eingelassen und ihre Rundung lief unter einer Freitreppe zusammen. Der weiße Marmorboden war zusätzlich mit einem schwarzen Mosaik verziert, das strahlenförmig auseinanderlief. Die Halle war bis unter das Dach, das von vier mächtigen Marmorsäulen getragen wurde, offen. Da das Haus aus drei Etagen bestand, schätze Sirona die Höhe der Halle auf über zwölf Meter.
Sie beugte sich weit nach hinten, um die Deckenmal erei zu betrachten. Eine Kampfszene! Eine goldene Amazone kämpfte gegen einen schwarzen Krieger, die Amazone hielt ihr Schwert, Sironas Schwert, hoch über dem Kopf und wollte auf den schwarzen Krieger einschlagen. Beide standen sich breitbeinig gegenüber, im Hintergrund jeweils ein weißes und ein schwarzes Pferd, um sie herum sterbende Opfer. Die Amazone trug eine Maske, aber ihre Augen waren hellblau. Sirona hielt beim Anblick der Deckenmalerei die Luft an und legte den Kopf so weit nach hinten, dass sie ein wenig das Gleichgewicht verlor. Sofort legte Darken die Hände an ihre Schultern, um sie zu stützen. Sie sah ihn an und tausend Fragen schossen ihr durch den Kopf.
»Ich werde Ihnen gern die anderen Räume zeigen«, lenkte er sie bewusst ab und schob sie aus der Halle.
Sein Büro, das gemütlich und hell war, wurde von se inem Schreibtisch dominiert. Er musste von circa 1900 sein, schwer und wuchtig, aber sehr gut erhalten. Angrenzend befand sich eine Bibliothek, deren Bücherregale bis an die Decke reichten. Diese ganzen Bücher konnte man unmöglich in einem Leben gelesen haben, aber Darken war unsterblich, er hatte genug Zeit gehabt.
»Wie viele von diesen Büchern haben Sie gelesen?«
»Angefangen habe ich alle, aber viele waren so langweilig, dass ich sie nicht zu Ende gelesen habe. Zum Beispiel die Gedichtbände von Schiller und Goethe. Da sind einige nette Gedichte dabei, aber die meisten habe ich nur überflogen.«
Na ja, jedenfalls war er ehrlich und er schien nicht sonderlich auf Gedichte zu stehen. Rechts von seinem Büro befand sich ein riesiges Esszimmer mit einem Es stisch, der problemlos zwanzig Personen Platz bot. »Haben Sie öfter große Gesellschaften?«
»Nein, weniger. Ich lebe sehr zurückgezogen.«
Ein Salon, der von einem ausladenden Kamin beherrscht wurde, schloss sich dem Esszimmer an. Der Kamin stand auf vier Säulen und war nach allen Seiten offen. Um ihn herum waren Sessel und Sofas gruppiert, ebenfalls schwer und alt. Mit den ganzen Kissen darauf wirkte alles sehr bequem und einladend. Sirona setzte sich, ohne zu fragen. »Dieses Haus ist wirklich außergewöhnlich. Es ist ja schon eher ein Schloss. Wohnen Sie hier ganz allein?«
»Ja, mal abgesehen vom Personal.«
»Das ist aber ein einsames Leben!« Sie sah ihn an und hätte sich im gleichen Moment auf die Zungen beißen können, sie war ja so blöd.
»Ja, einsam ist wohl das richtige Wort, aber ich war immer sehr
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