Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
Vom Netzwerk:
Ihnen die Hellseherin gesagt hat, am Ende dieser Reise würde Sie der Mann Ihres Lebens erwarten. Das soll nicht etwa ein Vorwurf sein, ich finde das wirklich sehr romantisch und äußerst mysteriös.«
    »Was mich nervös macht, ist, dass sie mit solcher Sicherheit behauptet, ich sei dort geboren«, gab Alice kurz angebunden zurück.
    »Aber Ihre Geburtsurkunde beweist Ihnen das Gegenteil.«
    »Ich erinnere mich noch, dass meine Mutter mir, als ich etwa zehn Jahre alt war und wir am Holborn Hospital vorbeikamen, gesagt hat, ich sei dort zur Welt gekommen.«
    »Dann vergessen Sie die ganze Geschichte! Ich hätte Sie nie nach Brighton fahren dürfen. Ich habe es gut gemeint, aber letztlich hat Sie das dazu getrieben, einer Sache Bedeutung beizumessen, die keine hat.«
    »Es wird Zeit, dass ich mich wieder an die Arbeit mache. Müßiggang bekommt mir nicht.«
    »Und was hindert Sie daran?«
    »Ich habe mir gestern leider einen Schnupfen eingefangen. Das ist nicht weiter schlimm, aber wenig zuträglich für meinen Beruf.«
    »Es heißt, mit Behandlung dauert so was eine Woche und ohne sieben Tage«, meinte Daldry und lachte. »Ich fürchte, Sie müssen sich in Geduld üben. Aber wenn Sie sich erkältet haben, sollten Sie sich lieber zu Hause im Warmen aufhalten. Mein Wagen steht an der Prince’s Gate, und dieser Weg führt uns genau dort hin. Ich bringe Sie nach Hause.«
    Der Austin wollte nicht anspringen. Daldry bat Alice, sich ans Steuer zu setzen, er würde schieben. Sobald der Wagen ins Rollen käme, müsse sie nur langsam die Kupplung kommen lassen.
    »Das ist nicht kompliziert«, versicherte er. »Das linke Pedal durchtreten, und wenn der Motor läuft, leicht auf das rechte tippen, dann gleichzeitig auf das mittlere und das linke Pedal treten und dabei die Räder parallel zum Fahrbahnrand halten.«
    »Das ist sehr kompliziert!«, rief Alice.
    Die Reifen drehten auf der Schneedecke durch, Daldry rutschte aus und fiel der Länge nach hin. Alice, die die Szene im Rückspiegel beobachtet hatte, brach in Lachen aus. Im Eifer des Gefechts kam ihr die Idee, den Zündschlüssel umzudrehen, der Motor stotterte und sprang an, worauf Alice noch herzlicher lachte.
    »Sind Sie sicher, dass Ihr Vater Apotheker und nicht Mechaniker war?«, fragte Daldry, der auf dem Beifahrersitz Platz nahm.
    Mantel und Gesicht waren schneebestäubt.
    »Tut mir leid, das ist eigentlich nicht komisch, aber ich kann nicht anders«, erwiderte Alice und kicherte weiter.
    »Na, dann fahren Sie mal los.« Daldry knurrte. »Diese Mistkarre scheint Sie ja adoptiert zu haben. Wir werden schon sehen, ob sie ebenso folgsam ist, wenn Sie aufs Gaspedal treten.«
    »Sie wissen ja, dass ich noch nie gefahren bin«, erklärte Alice noch immer fröhlich.
    »Einmal ist immer das erste Mal«, meinte Daldry ungerührt. »Treten Sie die Kupplung durch – das ist das linke Pedal –, lassen Sie dann langsam los und geben gleichzeitig Gas.«
    Die Reifen rutschten auf der vereisten Fahrbahn. Alice umklammerte das Lenkrad und brachte den Wagen mit einer Geschicklichkeit, die ihren Nachbarn beeindruckte, wieder in die Spur.
    An diesem späten Weihnachtsvormittag waren die Straßen menschenleer. Alice fuhr und beachtete dabei genauestens Daldrys Anweisungen. Einige zu abrupte Bremsmanöver, die den Motor abwürgten, ausgenommen, brachte sie den Austin ohne Zwischenfälle heil nach Hause.
    »Welch eindrucksvolle Erfahrung«, sagte sie und schaltete den Motor aus. »Ich finde es toll, Auto zu fahren.«
    »Na, wenn Sie möchten, gebe ich Ihnen diese Woche eine zweite Stunde.«
    »Das wäre mir ein großes Vergnügen.«
    Vor ihrer Haustür angekommen, verabschiedeten sich Alice und Daldry. Sie fühlte sich ein wenig fiebrig, und die Vorstellung, etwas zu schlafen, war durchaus verlockend. Sie bedankte sich bei Daldry, und sobald sie in ihrer Wohnung war, legte sie den Mantel über das Bett und kuschelte sich unter die Decke.
    Der warme Wind treibt feinen Staub durch die Luft. Am Ende einer ungepflasterten Gasse führt eine lange Treppe in ein anderes Stadtviertel.
    Alice läuft barfuß und sieht sich nach allen Seiten um. Die bunten Metalljalousien der kleinen Geschäfte sind heruntergelassen.
    Aus der Ferne vernimmt sie eine Stimme. Eine Frau ruft nach ihr. Sie steht an der Treppe und bedeutet ihr, sich zu beeilen, so als drohe ihr Gefahr.
    Alice beschleunigt den Schritt, doch die Frau eilt schon die Stufen hinab.
    Hinter ihr ist Gebrüll zu hören, Rufe und Schreie.

Weitere Kostenlose Bücher