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Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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sondern eine ernsthafte Arbeit, die eine englische Parfümentwicklerin faszinierte.
    »Nicht dass ich mich gelangweilt hätte«, sagte Daldry, als sie auf die Straße traten, »aber ich habe seit gestern Mittag nichts gegessen und hätte deshalb nichts gegen eine kleine Stärkung einzuwenden.«
    »Hat dieser Besuch Sie beglückt?«, fragte Can Alice und ignorierte Daldrys Worte.
    »Ich bin außer mir vor Freude. Der Arbeitstisch dieses Mannes ist wie die Höhle von Ali Baba. Sie haben eine wunderbare Begegnung organisiert, Can.«
    Can errötete.
    »Eins-zwei, ein-zwei-drei!«, rief Daldry und sprach dabei in die hohle Hand, »hier London, hören Sie mich?«
    »Aber ich muss zugeben, Miss Alice, dass ich einige Worte Ihres Vokabulars nicht verstehe und Mühe habe, sie zu übersetzen. Zum Beispiel habe ich im Haus dieses Mannes nichts gesehen, das der Höhle von Ali Baba gleicht«, sagte Can, ohne Daldry zu beachten.
    »Tut mir leid, Can, das ist eine Redensart in meinem Beruf. Ich werde mir die Zeit nehmen, Ihnen die sprachlichen Feinheiten zu erklären. Dann sind Sie der qualifizierteste Übersetzer von Istanbul im Bereich der Parfümerie.«
    »Das ist eine Spezialisierung, die mir gefallen würde, und ich wäre Ihnen sehr verbunden, Miss Alice.«
    »Gut«, knurrte Daldry, »anscheinend habe ich keine Stimme mehr, denn niemand hört, was ich sage! Ich habe Hunger! Können Sie uns zeigen, wo man essen kann, ohne dass Miss Alice krank wird?«
    Can sah ihn durchdringend an. »Ich hatte die Absicht, Sie an einen Ort zu leiten, den Sie so schnell nicht vergessen werden.«
    »Zum Glück hat er bemerkt, dass ich da bin.«
    Alice trat zu Daldry und flüsterte ihm zu: »Sie sind nicht sehr nett zu ihm.«
    »Tatsächlich? Finden Sie denn, dass er nett zu mir ist? Ich habe Hunger. Ich erinnere Sie daran, dass ich aus Solidarität mit Ihnen gefastet habe, aber nachdem Sie sich mit unserem wunderbaren Führer absondern, distanziere ich mich.«
    Alice warf Daldry einen betrübten Blick zu und ging zu Can, der abseits wartete.
    Sie liefen die steilen Straßen hinunter, bis sie den unteren Teil des Cihangir-Viertels erreicht hatten. Daldry hielt ein Taxi an und fragte Alice und Can, ob sie mit ihm einsteigen oder lieber einen anderen Wagen nehmen wollten. Er setzte sich sofort auf die Rückbank und zwang Can so, vorn neben dem Fahrer Platz zu nehmen.
    Can gab diesem auf Türkisch eine Adresse an und drehte sich während der ganzen Fahrt nicht einmal um.
    Möwen hockten reglos auf der Kaimauer.
    »Dort ist es«, sagte Can und deutete auf eine Holzhütte am Ende des Piers.
    »Ich sehe kein Restaurant«, murrte Daldry.
    »Weil Sie nicht richtig hinschauen«, antwortete Can höflich. »Das ist kein Ort für Touristen. Er strahlt nicht vor Luxus, aber Sie werden das Essen genießen.«
    »Kennen Sie nicht zufällig etwas ebenso Vielversprechendes wie diese Spelunke, das aber etwas mehr Charme besitzt?«
    Daldry deutete auf die großen Häuser, deren Fundamente vom Bosporus umspült wurden. Alices Blick ruhte wie gebannt auf einem von ihnen, dessen weiße Fassade sich von den anderen unterschied.
    »Haben Sie wieder eine Erscheinung?«, fragte Daldry in spöttischem Ton. »Sie machen vielleicht ein Gesicht.«
    »Ich habe Sie angelogen«, stammelte Alice. »Neulich nachts hatte ich einen Albtraum, der noch realistischer war als die vorhergehenden, und ich habe ein Haus gesehen, das diesem ähnlich war.«
    Mit zusammengepressten Lippen starrte Alice auf das weiße Gebäude. Can verstand nicht, was seine Kundin plötzlich zu beunruhigen schien.
    »Das sind Yalis , Sommervillen«, erklärte er bedächtig. »Überreste der Pracht des Osmanischen Reichs. Sie waren im neunzehnten Jahrhundert sehr beliebt. Jetzt sind sie es weniger, die Besitzer sind wegen der hohen Heizkosten im Winter geldlos, und die meisten von ihnen müssten geflickt werden.«
    Daldry fasste Alice bei den Schultern und zwang sie, sich zum Bosporus umzudrehen.
    »Ich sehe nur zwei Möglichkeiten. Entweder hat die einzige Reise Ihrer Eltern über Nizza hinausgeführt, und sie waren zu jung, um sich zu erinnern, was sie Ihnen erzählt haben. Oder sie besaßen einen Bildband über Istanbul, den Sie sich in Ihrer Kindheit angesehen haben, ohne es heute noch zu wissen. Beide Möglichkeiten sind übrigens nicht unvereinbar.«
    Alice konnte sich nicht daran erinnern, dass ihr Vater oder ihre Mutter ihr von Istanbul erzählt hätte, und wie sehr sie auch versuchte, sich jede

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