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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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Drachen von der Kette zu nehmen und gegen sie einzusetzen?«
    Ein seltsamer Ausdruck glitt über das Gesicht des Conte, so wie eine Welle über den See gleitet, wenn ein großes Geschöpf unter der Wasseroberfläche vorüberschwimmt.
    »Ein Mensch mit den richtigen Kenntnissen, mit genügend Macht und Mut, einer, der weiß, wo sich der Medhelan befindet, der könnte das vielleicht. Es müsste jemand sein, der in der Lage wäre, hinabzusteigen und die Macht der Erde zu bezähmen, dort, wo die Verborgenen Wege sich treffen. Ein Mensch wie dieser … würde wie der Drache selbst werden. Er wäre wie ein Gott.« Die grünen Augen schweiften in die Ferne, zum Horizont der Stadt. »Aber der Medhelan ist verloren. Kein Sterblicher weiß, wo er sich befindet, noch, wie man dorthin gelangt. Und alle alten Kreaturen, die wüssten, wie man ihn findet, sind seit langer Zeit verschwunden oder sie schweigen.«
    Auch wir schwiegen für einen langen Augenblick.
    »Ivan hat sich wieder gemeldet«, sagte ich plötzlich. »Er hat versucht, mich anzurufen.«
    Der Conte wandte sich um und sah mich an. »Wie ich schon sagte, die Luperci werden sich nicht geschlagen geben.«
    Ich fuhr mir mit einer Hand durchs Haar. »Was soll ich also tun? Mich weiterhin verbergen und vor ihnen fliehen, für den Rest meines Lebens?«
    Es folgte ein neues Schweigen.
    »Das wäre die Strategie eines Kaninchens«, sagte endlich der Conte leise. »Nicht die des Wolfes.«
    Sein Ton bescherte mir eine Gänsehaut.
    »Was heißt das?«, murmelte ich.
    »Dass du meiner Meinung nach zulassen solltest, dass Ivan wieder Kontakt mit dir aufnimmt.«
    Ich spürte mein Herz schneller schlagen. »… Und dann?«
    »Und dann werden wir es sein, die ihm eine Falle stellen.«

Kapitel 26
    Dienstag, 3. März
    Zunehmender Mond
    I van rief am nächsten Tag nicht an. Es gab Momente, in denen ich mit aller Kraft gegen die Versuchung ankämpfen musste, ihn selbst anzurufen, und andere, in denen ich ebenso inständig hoffte, dass er sich nie mehr bei mir melden würde.
    Nach der Schule kaufte ich das Material, das ich für die Umsetzung meines Plans brauchte. Dass es mich mehr kostete, als ich erwartet hatte, trug nicht unbedingt zu meiner guten Laune bei. Außerdem bereitete es mir Kopfzerbrechen, was ich meiner Mutter erzählen sollte, damit sie mich am Abend ausgehen ließ. Ich dachte den ganzen Vormittag darüber nach und log schließlich beim Mittagessen, dass heute Irenes Geburtstag sei und ich zusammen mit ihren Freundinnen zum Abendessen eingeladen wäre. »Du weißt schon, diese total nette Freundin von mir mit den wunderschönen Haaren.« Ich versprach, spätestens um elf zu Hause zu sein, und beteuerte, wie wichtig es Irene – und auch mir selber – wäre, dass ich dabei war. Sie musste mich einfach gehen lassen, bitte, bitte, bitte!
    Meine Mutter runzelte zunächst die Stirn, denn immerhin war ich ja schon am Sonntag ausgegangen und am nächsten Tag war Schule; sie wurde jedoch schnell weich, konsultierte meinen Vater – der seltsamerweise zum Mittagessen zu Hause war und sich ebenso seltsamerweise positiv zu meinem Anliegen äußerte –, und am Ende erhielt ich drei Stunden Ausgang, von acht bis elf. Ich überhäufte meine Mutter mit Dankesbezeugungen, fiel ihr sogar um den Hals und fühlte mich scheußlich angesichts der Lüge, die ich ihr aufgetischt hatte.
    Irene erzählte ich davon nichts, weder, dass ich sie als Ausrede benutzt hatte, noch dass ich am Abend mit Alex ausgehen würde. Ich wusste ja, dass sie Ersteres nicht gut finden würde, aber da ich die Lüge trotzdem brauchte, wollte ich wenigstens vermeiden, dass sie sich schlecht fühlte. Warum ich ihr nicht mal von der Verabredung mit Alex erzählte, weiß ich selbst nicht. Vielleicht, weil sie schlichtweg zu viele Erklärungen verlangt hätte.
    Und weil ich mich schämte. Aber daran versuchte ich, nicht zu denken: Es war schon schlimm genug, damit leben zu müssen, dass ich am laufenden Band Leute anlog, die mir etwas bedeuteten.
    Und warum das Ganze? Für einen Racheakt?
    Allein bei dem Gedanken wurde mein Herz hart wie Stahl: Ja, für meine Rache. Für eine gerechte, hochheilige, grausame und absolut verdiente Rache.
    Der Abend kam, und ich bereitete mich sorgfältig vor. Keine übertriebenen Kleiderproben diesmal. Ich war auf mich allein gestellt, ohne Irene, die mich beraten hätte, ohne Angst im Herzen und Schmetterlinge im Bauch. Ich wählte eine schwarze Jeans, meinen langärmligen Bolero, ein

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