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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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fast verblüht. Außerdem hatte ich sie per Beschreibung im Internet gesucht und anhand von Google-Bildern herausgefunden, dass es sich um ein weißes Vergissmeinnicht handelte, das, da es schon im Februar blühte, ganz bestimmt aus einem Gewächshaus kommen musste. Ich musste unwillkürlich lächeln: Ich würde seinem Namen alle Ehre machen und es sicherlich nie vergessen oder jedenfalls nicht die Umstände, in denen ich es gefunden hatte.
    Gegen sieben Uhr abends war ich vom Schwimmen zurück. Der Innenhof unseres Wohnhauses war wie üblich taghell erleuchtet, die Schilfbüschel um das Fischbecken vertrocknet. Eines von den Dingen, die man sah und doch nicht sah, weil man jeden Tag daran vorbeiging; diesmal aber bemerkte ich etwas Ungewöhnliches. An der vom Hauseingang abgewandten Seite, in der Nähe der Tür, durch die man zu unserer Wohnung hochging, war das Schilf viel dunkler als sonst.
    Ich ging mir die Sache näher ansehen. Das Becken war von einer oben abgeflachten, etwa siebzig Zentimeter hohen Einfassung umgeben. Die Leute aus dem Haus setzten sich oft dort auf den Rand, um miteinander zu schwatzen und den Fischen beim Schwimmen zuzuschauen: Ich hatte sie oft von unserem Innenfenster aus gesehen. Ich selbst hatte mich nie an einer dieser Plaudereien beteiligt, weil ich keinem meiner Nachbarn etwas Besonderes zu sagen hatte und weil die paar Fische, die dort im schmutzigen Wasser herumzappelten, mich nur traurig machten. Die Pflanzen wuchsen auf einer Rabatte um das Becken herum und hatten eine Farbe, die man aus Dokumentarfilmen über die Savanne kennt, wenn es dort seit fünf Monaten nicht geregnet hat.
    Aber nicht an diesem Abend, oder jedenfalls nicht alle: An dieser einen Stelle waren sie total grün. Ich runzelte die Stirn und nahm eines der langen Blätter zwischen die Finger: Es war sehr biegsam und glänzte frisch, kurzum, es schien wie eine bildliche Verkörperung einer gesunden Pflanze. Ich ging um das Becken herum und stellte fest, dass überall sonst nur das übliche Gelb von sterbenden Pflanzen zu sehen war. Diese Seite war also die einzige, die plötzlich wieder grün geworden war, ohne dass ich mir erklären konnte, warum.
    Ich wollte gerade weitergehen, als ich aus dem Augenwinkel etwas Weißes auf der Steinbank liegen sah, direkt neben den seltsam grünen Blättern. Ich bückte mich, um es besser sehen zu können: Ein winziges Blümchen mit schneeweißer Blütenkrone lugte, fast schwankend auf seinem feinen Stiel, aus einer kleinen Mauerritze hervor.
    Ich nahm es zwischen die Finger, sehr darauf bedacht, es nicht kaputt zu machen. Ein Vergissmeinnicht!
    Ich schluckte und machte, dass ich davonkam, verzweifelt bemüht, meinen Abgang – wenigstens vor mir selbst – nicht wie eine Flucht aussehen zu lassen.
    In jener Nacht schlief ich schlecht und sicher träumte ich auch, aber am Morgen, als der Flug Mailand – Budapest um zehn vor sieben wie immer meinem Wecker zuvorkam, erinnerte ich mich an nichts Besonderes.
    Ich wankte zum Spiegel und was ich sah, machte mir Angst. Wie sollte ich nur in diesem Zustand einen ganzen Vormittag mit dem Trio Infernale überstehen? Ich konnte es so nicht mal mit einem Stoffkaninchen aufnehmen!
    Das erforderte die Notfall-Uniform. Ich hüllte mich von Kopf bis Fuß in sattes Schwarz: Jeans, hochgeschlossenes T-Shirt, Bolerojacke mit langen Ärmeln – alles in der Farbe der Nacht. Der einzige Lichtpunkt war die Gürtelschnalle. Ich ersetzte meine Springerstiefel durch weiche Lederstiefel und wählte Ohrringe in Tropfenform, Tropfen aus schwarzem Glas.
    Im Spiegel hatte meine Blässe etwas Vampirhaftes. Bisschen zu viel des Guten. Also versuchte ich, dem Effekt mit einem Hauch von Make-up entgegenzuwirken, was ich höchst selten tat. Ich schminkte mir sogar ein klein wenig die Augen. Wenn es mir nun auch noch gelungen wäre, meinem Kopf mit der Haarbürste eine Form zu verpassen, wäre ich beinah zufrieden gewesen mit dem, was ich sah. Aber das war wohl zu viel verlangt.
    Aber welchen Sinn hatte das alles? Noch cooler auszusehen, um vorzutäuschen, man wäre wirklich so? In Ravenna hatte ich mich nicht so oft schwarz angezogen und mich mehr geschminkt, aber ich verscheuchte den Gedanken sofort. Ich war jünger damals, fast noch ein Kind: Es war viel leichter, eine Frau zu spielen.
    Angela und ihre Haare fielen mir ein. Auch Elena, Susanna und sogar Irene. Sie waren alle so gepflegt, so perfekt in allen Einzelheiten. Und alle konnten es sehen.
    Und mein

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