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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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zur Taille. Mein Blick glitt unwillkürlich über den abblätternden Putz, wobei ich mir vorzumachen suchte, dass ich nach nichts Besonderem Ausschau hielt. Aber als ich es schließlich entdeckte, empfand ich keine Überraschung, sondern nur einen leichten Druck auf den Magen.
    Aus einem senkrechten Mauerriss spitzte, den Kopf nach unten und halb im Regen ertrunken, ein weißes Vergissmeinnicht hervor.
    Ich kehrte zu meinen gewohnten Pfaden zurück und ging Richtung Metro. Mein Kopf fühlte sich an wie einer dieser Heliumballons, den meine Mutter mir als Kind oft im Vergnügungspark gekauft hatte. Sie band ihn mir immer ums Handgelenk, damit er nicht wegflog. Aber früher oder später löste sich unweigerlich die Schnur, der Luftballon glitt mir aus den Fingern und ich konnte zusehen, wie er hoch in den Himmel stieg und immer kleiner wurde, bis er nicht mehr auszumachen war. Ich fragte mich, ob mein Kopf jetzt auch gleich zwischen den grauen Wolken verschwinden würde.
    Mir war ein absolutes Rätsel, was hier vor sich ging. Drei Tage zuvor war ich auf einem Fest gewesen, das einen blinden Fleck in meinem Gedächtnis hinterlassen hatte und eine geheimnisvolle Wunde an meinem Knöchel, die sich in weniger als vierundzwanzig Stunden in Luft aufgelöst hatte. Ich hatte seltsame Träume, ich hatte mir eingebildet, dass etwas durch mein Fenster einsteigen wollte, und jetzt wurde ich von einem dreizehnjährigen Hippiemädchen verfolgt, das nur ich sehen konnte und bei dessen Auftauchen Blumen aus dem Asphalt wuchsen.
    Okay, so betrachtet, gehörte ich in die Notaufnahme.
    Und doch hatte ich all diese Dinge gesehen, verdammt! Ich hatte sie mir nicht eingebildet: Die Blume im Glas auf meinem Schreibtisch war real, die Bisswunde am Knöchel hatte ich nicht nur mit eigenen Augen gesehen, sondern auch unter meinen Fingern gespürt; überdies hatte sie so wehgetan, dass ich stundenlang nicht richtig auftreten konnte, und was dieses Ding draußen vor meinem Fenster betraf … Nein, es waren jedenfalls keine Halluzinationen gewesen. Veronica bildet sich die Dinge nicht ein: Sie sieht sie wirklich, wenn auch nur aus dem Augenwinkel.
    Ich blieb mitten auf der Straße wie angewurzelt stehen. Aus dem Augenwinkel. Genau so hatte ich das Mädchen mit den Blumen im Haar jedes Mal gesehen. Am Rande meines Blickfelds, fast zufällig, immer wenn ich gerade gar nicht darauf geachtet hatte. Hatte ich sie einmal entdeckt, sah ich sie ganz klar, aber zuerst bemerkte ich sie immer nur aus dem Augenwinkel.
    Ich starrte angestrengt vor mich hin und versuchte, zu sehen, was sich an den Rändern meines Blickfeldes abspielte. Es war ein bizarres Experiment: Wann achtet man schon mal auf das, was sich am äußeren Ende des eigenen Gesichtskreises bewegt?
    Ich ging weiter, langsamer nun, und versuchte, die Konzentration nicht zu verlieren: Die Leute überholten mich auf beiden Seiten, in Regenmäntel gehüllte Schatten, die einen Moment lang unscharf wurden, bevor sie aus meinem Blick verschwanden. Wenn das Experiment schon zu sonst nichts gut war, dann immerhin zu meiner Unterhaltung. Wenigstens bis zur Metro.
    An einer Fußgängerampel musste ich auf Grün warten. Wenn ich den Kopf etwas drehte, lag die Metro-Station von hier aus genau an der Grenze meines Gesichtsfelds. Während ich den Eingang aus dieser Position heraus beobachtete, trat ein dunkelhäutiger Mann daraus hervor. Er blieb einen Moment lang stehen, schirmte mit einer Hand die Augen vor der Sonne ab – die überhaupt nicht schien – und ging dann schnell auf eine Seitenstraße zu.
    Ich starrte ihm nach, ohne zu merken, dass die Ampel grün geworden war.
    Er war groß, nein, sehr groß sogar, und überragte jeden um sich herum um einen ganzen Kopf. Er hatte weder einen Schirm noch eine Kapuze, und sein kahler Schädel glänzte im strömenden Regen. Das lange, schwarze Gewand, das er trug, war in der Taille gebunden und erinnerte mich an eine Mönchskutte.
    Die Menschen gingen bei seinem Auftauchen automatisch beiseite, wie sie es bei jedem anderen Passanten taten, aber niemand schenkte ihm auch nur die geringste Aufmerksamkeit, obwohl er aus der Menge herausstach wie ein Tintenfleck aus einem weißen Pullover.
    Ohne langes Nachdenken überquerte ich fast rennend den Zebrastreifen und folgte dem Mann in einer gewissen Entfernung.
    In einem Teil meines Gehirns läuteten die Alarmglocken und signalisierten mir, auf dem Absatz kehrtzumachen und meiner Wege zu gehen: Denn wenn man etwas

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