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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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können? Das wäre doch, ich weiß nicht, illegal, oder? Würde ich ihnen dann ins Gesicht schreien, dass ich jetzt volljährig sei und damit meine eigene Herrin, und also hingehen konnte, wohin ich wollte, ohne mich bei irgendjemandem für mein Leben rechtfertigen zu müssen?
    Ich stand kurz davor, dem Fenster einen Faustschlag zu verpassen, überlegte es mir aber glücklicherweise doch anders und hieb stattdessen auf das Kissen in meinem Bett ein. Was mir allerdings keinerlei Befriedigung schenkte. Ich schlug wieder und wieder auf das Kissen ein und bombardierte es dermaßen mit Trommelschlägen, dass ich ganz außer Atem geriet. Es steckte alle Hiebe schweigend ein, fast als wollte es mich mit seiner Gleichgültigkeit herausfordern.
    Am Ende ließ ich mich keuchend niedersinken. Und was nun?
    Ich blieb so sitzen, bis mein Atem sich beruhigt hatte, dann schaltete ich den Computer an und gab bei Google alle Begriffe ein, die mir in Bezug auf meine Situation in den Sinn kamen: »Hyperästhesie«, »Träume«, »im Dunkeln sehen«, »Schlangenaugen«, »schwarze Männer«.
    Bei den letzten beiden Begriffen blieb ich länger hängen: Es gab eine ganze Reihe von Seiten dazu. Der schwarze Mann war eine Figur, die fast alle Kulturen der Welt kannten, das Monster, das sich im Schrank oder unter dem Bett versteckt und mit dem die Mütter ihre Kinder erschrecken, um sie dazu zu bringen, brav zu sein und nicht nachts im Haus herumzulaufen: »Wenn du nicht folgst, kommt der schwarze Mann und nimmt dich mit!«
    Meine Mutter hatte nie Sätze dieser Art zu mir gesagt, und auch wenn ich gerade nicht gut auf sie zu sprechen war, fühlte ich in diesem Moment einen Anflug von Dankbarkeit für sie.
    Im Englischen hieß der schwarze Mann auch bogeyman und bezeichnete ein geheimnisvolles Wesen des angelsächsischen Volksglaubens: ein boshafter Geist, der im Haus Gegenstände verschwinden ließ und Katastrophen unterschiedlichster Natur auslöste. Aber wie ich aus einem der vielen Texte erfuhr, konnte das Wort auch einfach auf Sümpfe und Dunkelheit verweisen.
    War es also das, was ich auf den Straßen Mailands getroffen hatte? Geister der Dunkelheit, schwarze Dämonen, die aus den Märchen entwichen waren und mit denen man Kinder erschrecken konnte? Obwohl ich sie mit eigenen Augen gesehen hatte, schien es mir unmöglich, so etwas zu glauben.
    Mir fiel wieder ein, was der Mann mit den Schlangenaugen gesagt hatte: Sie haben viele Namen, sie leben unter der Erde, das Licht macht, dass es ihnen schlecht geht. Auch dachte ich wieder an das Mädchen mit den Blumen in den Haaren, das den Worten des Bettlers zufolge mit diesen Kreaturen gelebt hatte. Der schwarze Mann wird kommen und dich mitnehmen …
    Ich schauderte und rief eine andere Seite auf.
    Ich versuchte, mich auf das Thema Träume zu konzentrieren: Es gab zig Internetseiten, die sich mit ihrer Funktion und psychoanalytischen Bedeutung befassten; aber dann kam mir die Bemerkung des Bettlers über meine »alten Augen« wieder in den Sinn und ich suchte Informationen zu deren Bedeutung in der Antike. Ich verbrachte mehr als eine Stunde auf den verschiedensten Seiten, die von Prophezeiungen und Visionen handelten oder von Träumen, die von Göttern oder Geistern geschickt werden. Aber nur ein Hinweis schaffte es, in diesem Zusammenhang meine Aufmerksamkeit zu erregen: Es hieß, dass viele Glaubensrichtungen davon überzeugt waren, dass Träume Erinnerungen aus vorhergehenden Leben wiederbringen können.
    Die betreffende Seite blitzte nur so von den typisch esoterischen Sternchen und Engelsfiguren und flößte mir kein großes Vertrauen ein; ich suchte noch ein Weilchen nach seriöseren Informationen, bis ich auf eine Idee kam: die Bibliothek meiner Mutter. Warum war mir das nicht früher eingefallen?
    Ich stand auf, öffnete die Tür einen Spaltbreit und lugte hinaus: Im Gang war niemand zu sehen. Also schlich ich mich ins Schlafzimmer meiner Eltern. Die Bibliothek befand sich gleich neben der Tür: fünf Regalbretter, drei Meter lang und dicht bestückt mit Hunderten von Büchern über Meditation, Naturheilkunde, Kristalltherapie, Ayurveda, Tai-Chi, Rebirthing und zahllosen weiteren Themen, die meine Mutter in über zwanzig Jahren mit Sorgfalt zusammengesucht hatte.
    Recht entmutigt sah ich das Regal durch: Ich musste schnell sein, denn wenn meine Mutter oder mein Vater hereinkämen, würden sie mich sicher fragen, was ich hier zu suchen hatte. Ich studierte den einen oder anderen

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