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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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Kultstätten errichtet wurden, heidnische Feste, die man in den Kalender integrierte, uralte Riten, die sich mit der Liturgie vermischten. Und gleichzeitig haben sich die Kulte selbst einen Weg durch die Jahrhunderte gebahnt, in aller Heimlichkeit, sich immer mehr ausdünnend, aber trotzdem der Zeit widerstehend: Winzige Geheimgesellschaften reichten die Riten im Licht der Fackeln weiter, an heimlichen Treffpunkten, etwa unter der Erde oder in den Tiefen der Wälder. Warum sollte mit den Luperci nicht dasselbe geschehen sein?«
    Ich ließ die Worte des Conte schweigend auf mich wirken, und angesichts der Bedeutung, die das für mich hatte, wurde mir das Herz schwer.
    »Dann gibt es also da draußen jemanden, der mich jagt«, murmelte ich endlich.
    Der Conte schwieg für eine lange Weile. »Ja, das ist möglich. Aber bevor du der Angst Raum gibst, sind da andere Aspekte, die es zu betrachten gilt – vor allem anderen die Tatsache, dass diese Luperci nicht wissen, wo sie dich finden können.«
    Unvermittelt schoss mir ein Gedanke durch den Kopf, der mich zu Tode erschreckte. »Das Aconitum …«
    Der Conte hob eine Augenbraue. »Was sagtest du?«
    »Der Eisenhut, der Würgling!« Ich berichtete von meiner Begegnung mit der Blume im Umkleideraum des Schwimmbads, und davon, dass ich kurz zuvor irgendwas aus dem Augenwinkel gesehen hatte.
    Der Mund des Conte verzog sich zu einer schmalen, geraden Linie. »Das ist keine gute Nachricht. Sie haben dich auf die Probe gestellt. Sie wissen, wer du bist.«
    Ich fühlte einen Kloß im Hals. »Inwiefern auf die Probe gestellt?«
    »Mit dem Aconitum. Sie haben ihn da hingelegt, wo du ihn auf jeden Fall anfassen würdest, weil sie Sicherheit haben wollten, dass der Wolf wirklich in dir ist.« Seine grünen Augen suchten die meinen. »Der Eisenhut wird seit Menschengedenken gegen die Wölfe eingesetzt und steckt voller symbolischer Bedeutungen. Der Wolf kann sich den Mächten nicht entziehen, die der Mensch ihm zum Feind erkoren hat, denn das ist die Natur des Tauschs: Indem der Wolf immer größere Macht über die Menschen gewinnt, gibt er ihnen unweigerlich die Möglichkeit, auch ihrerseits Macht über ihn zu erlangen, ob ihm das gefällt oder nicht.«
    Es gelang mir nur zum Teil, seinen Worten zu folgen: In meinen Ohren dröhnte es. »Sie wussten, in welches Schwimmbad ich gehe, wie meine Tasche aussieht …«
    »Ich schließe daraus, dass es jemandem gelungen ist, dir nach der Attacke des Wolfes zu folgen. Sie haben dich aus der Ferne beobachtet und auf den richtigen Moment gewartet, um sich dir zu nähern.«
    »Dann war also das, was ich in der Umkleide wahrgenommen habe …«
    »Einer von ihnen. Offensichtlich gehört zu ihren geheimen Überlieferungen auch die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen, so wie es die Unterirdischen zu tun vermögen und die, die auf ihre sterbliche Natur verzichtet haben.«
    Dann konnten sich also auch normale Menschen unsichtbar machen. Diese Information gab mir ein wenig Hoffnung, denn eine solche Art von Täuschung funktionierte bei mir ja nicht mehr, wenn ich mit den Augen des Wolfes sah. Wer auch immer meine Feinde waren, wenigstens hatten sie jetzt eine Waffe weniger zu ihrer Verfügung.
    Dennoch blieb da die Tatsache, dass sie meine täglichen Wege kannten, dass sie wussten, wer ich war und wo ich lebte …
    Ich appellierte an den verbliebenen Rest meiner Selbstkontrolle: Ich musste ruhig bleiben, denn ich hatte noch ein paar wichtige Fragen an den Conte.
    »Ich habe ein wenig über diese Strigen recherchiert, die Sie letztes Mal erwähnt haben.«
    Das kurze Aufblitzen im Blick des Conte entging mir nicht.
    »Dem Internet zufolge ist Strix die lateinische Bezeichnung für einen nächtlichen Raubvogel, aber auch für ein Wesen aus der römischen Mythologie, eine Art Mischung aus Hexe und Vampir. Strega, das italienische Wort für Hexe, kommt also möglicherweise genau daher.« Ich zog eines meiner Blätter heraus und ließ die Augen über die gedruckten Zeilen wandern. »Ein Wesen, das den Legenden nach die Friedhöfe besuchte und Leichen raubte, um sie zu verschlingen, und das manchmal auch Lebende angriff, um ihr Blut zu trinken.«
    »Grundlegend korrekt, aus der Sicht des Volksglaubens. Sie finden in vielen Werken der klassischen Antike Erwähnung und auch im Mittelalter.«
    Ich hob den Blick und sah ihm in die Augen. »Und sie waren in jener Nacht an meinem Fenster?«
    Der Conte senkte nachdenklich den Blick auf die Tasse in seinen

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