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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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sind.«
    Die Dinge zwischen uns?
    Ich wollte schon zustimmend nicken und etwas sagen, aber ich tat es nicht. Ich sah ihn nur weiter schweigend an; nachdem der erste Moment meines inneren Tumults vorbei war, fühlte ich mich seltsam ruhig.
    Auch er schien eigentlich weitersprechen zu wollen, blieb aber stumm, mit halb geöffneten Lippen. Seine Verlegenheit war offensichtlich.
    »Wenn du willst … Wenn du Lust hast, können wir darüber reden, irgendwann. Wann immer du willst. Auch jetzt.«
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf, und in seinen Augen erschien ein Funken Panik. »Nicht jetzt«, fügte ich hinzu. »Ich hab’s eilig.«
    »Ach so. Ja, sicher. Gut.« Er starrte auf einen Punkt in der Ferne. »Also … wann immer du willst. Du hast meine Nummer, nicht wahr?«
    »Ja.« Ich machte Anstalten, mich umzudrehen und meiner Wege zu gehen: Ich wollte so schnell wie möglich von hier weg. Jede einzelne Sekunde dieses Gesprächs war wie ein Nadelstich auf der Haut. Dann kam mir jedoch ein Gedanke. »Alex, hast du Angela vielleicht schon mal dein Handy geliehen?«
    Er schien verdutzt. »Ja, schon oft … Sie sagt immer, dass sie vergessen hat, ihres aufzuladen.«
    Dann konnte also jede beliebige Botschaft, die von Alex’ Telefon verschickt worden war, sehr gut auch von den zarten Fingern des blonden Engels eingetippt worden sein. Ein weiterer Mosaikstein, der an seinem Platz landete, ein weiterer Verdacht, der sich bestätigte.
    »Es ist spät, ich muss gehen. Ciao, Alex.«
    »Ciao …«
    Ich wandte ihm den Rücken zu und ging davon, ohne mich noch mal umzudrehen. Meine Gedanken waren einzig und allein mit dem Abend beschäftigt, der vor mir lag.
    Der Nachmittag wurde zu einem frenetischen Wechselspiel von Anproben, Umziehen, Selbstauslöser und Auswertungen mit Irene auf MSN – alles ohne Wissen meiner Mutter, die unter ständigem Geträller durch die Wohnung lief und sich kaum für das Treiben ihrer Tochter zu interessieren schien. Am Ende einigten Irene und ich uns auf sehr enge hellblaue Jeans und einen ebenfalls figurbetonten dunkelblauen Rolli. Um den Hals trug ich eine Kette mit prismaförmigem Kristallanhänger und fischte dann noch meine schwarzen Lackstiefeletten mit den hohen Absätzen aus dem Schrank. Ich zog sie zwar eigentlich nie an, weil sie eng und unbequem waren, aber heute Abend würde ich sie eben ertragen müssen: Sie machten mich ein paar Zentimeter größer und waren eleganter als die, die ich normalerweise trug.
    Irene wünschte mir alles Glück der Welt und überschüttete mich mit einer Flut an Ratschlägen und Komplimenten: »Beruhige dich, du siehst wirklich toll aus!«; »Komm bloß nicht zu spät nach Hause. Wenn du nicht genug schläfst, wird man es dir morgen ansehen, und dann werden deine Eltern misstrauisch …«; »Nein, du siehst nicht verlottert aus, du brauchst nur die Falten da etwas glatt zu streichen«; »Achte darauf, was er mit seinen Händen macht: Daran erkennt man, ob ein Junge nervös ist«; »Ich hab dir doch gesagt, dass du gut aussiehst, vertrau mir, du wirst ihm sicher den Kopf verdrehen!« et cetera, et cetera. Schließlich überließ sie mich meinem Schicksal, während ich sehnsüchtig und mit wild pochendem Herzen auf den Moment wartete, in dem ich mich aus dem Fenster davonstehlen konnte.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis es nach dem Abendessen in der Wohnung still wurde. Kurz nach elf zog ich mich im Dunkeln an, schlüpfte lautlos wie ein Nachtfalter in mein Badezimmer und brachte alle meine spärlichen Kosmetikkenntnisse zum Einsatz: Lippenstift, Kajal, Make-up … Das Resultat war katastrophal: Ich hatte es absolut übertrieben. Ich schrubbte mir wie wild das Gesicht, während die Minuten unerbittlich verstrichen, und fing wieder von vorn an. Diesmal achtete ich darauf, nicht zu viel Schminke aufzutragen, aber auch nicht unbedingt so auszusehen, als wäre ich soeben aus dem Bett gestiegen.
    Nachdem das Ergebnis akzeptabel schien, bürstete ich mir die Haare, legte meine silbernen Glücksohrringe mit den Obsidiansteinen an und betrachtete mich von allen Seiten: Ich fand mich entschieden in Ordnung, ein klein bisschen älter und vielleicht sogar sexy. Wenn ich nicht so verängstigt ausgesehen hätte wie vor einer Bühnenprobe, wäre das Ergebnis noch besser gewesen …
    Ich schnappte mir die einzige Handtasche, die ich besaß – ein Geschenk meiner Mutter, das gut passte, weil sie unbenutzt war und also nigelnagelneu schien –, kontrollierte, ob meine

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