Die zwei Monde: Roman (German Edition)
…
Du kannst es tun, Veronica. Warum warten? Das ist deine Gelegenheit! Willst du sie etwa verstreichen lassen? Und wenn du keine andere mehr bekommen solltest?
Ich würde schnell sein müssen wie der Blitz: Ein Haus wie dieses hatte zweifellos eine Alarmanlage. Konnte ich das schaffen oder überstieg das meine Fähigkeiten? Ich hatte keine Ahnung. Aber wenn ich es jetzt nicht probierte …
Als ich das Wasser im Spülkasten rauschen hörte, wusste ich, dass der Moment gekommen war.
Mit einem kraftvollen Karateschlag hieb ich auf den Fensterladen ein: Das Holz knackte, splitterte und flog in alle Richtungen davon. Der Fensterladen war offen. Ich spürte nicht viel mehr als ein leicht unangenehmes Gefühl auf der Haut, keinen wirklichen Schmerz. Der Schatten hinter dem Fenster fuhr hoch. Einen Augenblick später war ich schon durch die Scheibe gesprungen und hatte sie in tausend Stücke zerbrochen.
Ich rollte auf dem Badezimmerfußboden durch einen Wasserfall aus Scherben, richtete mich in einer einzigen Bewegung wieder auf und fand mich mit dem Rücken an der Tür wieder: perfekt. Mit einem Handstoß drehte ich den Schlüssel im Schloss und verriegelte die Tür. Dann drehte ich mich zu Giada um, die zwischen Waschbecken und Toilette im Nachthemd auf den Knien lag und mich anstarrte. Eins wusste ich sofort: Ich hatte nie in meinem Leben so viel Unglauben und Entsetzen in einem Gesicht gesehen.
Meinem Instinkt folgend kauerte ich mich auf den Boden, die Fäuste geballt und die Lippen straff gezogen, die Zähne gefletscht. So starrten wir uns in die Augen, ich und das Mädchen aus meiner Klasse. Wir sahen uns jeden Morgen, jeden einzelnen Schultag, seit Monaten, aber was Giada in diesem Moment sah – das war nur allzu deutlich – hatte nichts mit Veronica Meis zu tun. Oder überhaupt mit einem menschlichen Wesen.
Irgendwo im Haus war das Heulen eines Alarms und das nachfolgende Poltern von Schritten zu hören.
Die Worte, die ich nun zwischen den Zähnen hervorstieß, klangen selbst in meinen Ohren eher wie ein Knurren. » Was hast du an jenem Abend mit mir gemacht ?«
Giadas Augen wurden noch größer, aber es kam kein Laut über ihre Lippen.
»Was war in meinem Glas? Sag’s mir! «
Von draußen entlud sich eine Salve von Faustschlägen gegen die Tür. »Giada! Giada ! Was ist denn da los?!« Es war die Stimme eines Mannes.
Giada warf Hilfe suchende Blicke zur Tür und öffnete den Mund, als wollte sie schreien, aber es kam nicht mehr als ein klägliches Piepsen dabei heraus.
Ich sprang auf sie zu, zerrte sie an den Armen hoch und nagelte sie mit den Schultern an die Wand. Mollig, wie sie war, musste sie mindestens sechzig Kilo wiegen, aber sie schien mir so leicht wie eine Stoffpuppe.
Ich versuchte, meine Stimme zu kontrollieren, und was schließlich dabei herauskam, war ein tiefes, bedrohliches Brummen, direkt an ihrem Ohr: » Was … war … in … meinem … Glas ?«
Die geweiteten Augen entließen einen Strom heißer Tränen. Sie bewegte die Lippen, wie jemand, der nach Luft schnappt, brachte aber keinen Ton heraus.
Ich drückte sie stärker gegen die Wand. » SAG ES MIR ! «
»Green Dragon …«
Die beiden Worte waren wenig mehr als ein Quietschen. Die Schreie und Schläge an der Tür wurden indessen immer lauter.
Ich ließ von Giada ab und sah ihr fest in die Augen. » Was? «
»Green Dragon«, wiederholte sie mit dünner Stimme.
» Was bedeutet das? «
»Es ist ein Likör … mit Kräutern … mit Marihuana.«
Ich spürte den starken Impuls, ihr mit den Händen die Kehle zuzudrücken.
» Warum? «, knurrte ich stattdessen.
»Aus … aus Spaß! Einfach so … damit du die Kontrolle verlierst …«
» Wer? « Ich packte sie wieder. » Wer hat dich dazu gebracht? «
Sie schloss die Augen, von Kopf bis Fuß zitternd, während sie schluchzte: »Angela …«
Ich wandte mich um und schubste sie gegen die Tür: Es war ein kleines Badezimmer, und sie flog nicht weiter als zwei Meter, bevor sie gegen das dunkle Holz schlug und mit einem Schrei auf den Boden fiel. Ich hätte sie mit einer viel größeren Wucht wegschmettern können, das war vollkommen klar.
Ich glitt zu Boden, um auf Augenhöhe zu sein. » Wenn du jemandem sagst, dass du mich heute Nacht gesehen hast «, stieß ich hervor, » komme ich zurück. Das schwöre ich dir .«
Ich starrte sie noch einen Moment lang an. Sie zitterte und schien dermaßen verängstigt, dass sie den Blick nicht von dem meinen lösen konnte. Dann sprang
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