Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition)
vertraute Materie der Staatsgeschäfte. Sie unternahm weite Reisen an die Höfe von Lemuria und Engat Lum und besuchte in vielen Tagen unzählige kleine Orte und Menschen im ganzen Gebiet ihres Reiches. Für keine selbstlose Anstrengung und Entbehrung war sie sich darüber hinaus zu schade, sodass sie jeden ihrer Bürger, der sie zu sprechen und ihr ein Anliegen vorzubringen begehrte, empfing und stets versuchte, jeder noch so geringfügigen Ungerechtigkeit und Not Abhilfe zu schaffen.
Weiterhin entrümpelte sie den Kreis der sich im Schatten des Fürstenhauses tummelnden Berater, Verwalter und Militärs, indem sie viele der oftmals greisenhaften Männer in den verdienten Ruhestand schickte und durch jüngere, frischere Kräfte – von denen manche auch Frauen waren – ersetzte.
Dies alles führte letztlich dazu, dass das Volk von Rhodrim sie mit aller Aufrichtigkeit zu lieben und zu verehren lernte, so sehr, wie es kaum einem Herrscher in der Geschichte der Menschen Arthiliens zuvor widerfahren war. Eine Gebieterin, die Schönheit, Würde und Stärke mit solch außergewöhnlichem Edelmut vereinigte, schien es nur ein einziges Mal geben zu können. Und alle beteten zu Aldu, dass er ihre Jugend und Gesundheit noch lange erhalten möge.
„Setzten wir uns, Heeresmeister“, sagte Imalra mit ihrer zarten, weichen Stimme. Dabei machte sie eine einladende Bewegung in Richtung der vier dick gepolsterten, in hellen Farben erstrahlenden Stühle, die in der linken Hälfte des Raumes auf einem runden Teppich aus weißer Schafswolle standen. Anschließend ging sie voran und ließ sich auf der mittlersten der Sitzgelegenheiten nieder.
Der gut gebaute, in eine braune, mit Nieten beschlagene Lederrüstung gehüllte Mann mit dem freundlichen Gesicht lächelte und deutete eine Verneigung an, ehe er dem Wunsch seiner Gebieterin nachkam und sich auf den Stuhl, der sich von dem ihren am weitesten entfernt befand, niedersetzte.
Herengard hatte schon in dem Raum auf die Fürstin gewartet. Dabei hatte er, wie so oft bei ähnlichen Gelegenheiten, vor dem kostbaren Gobelin gestanden und die in vielen Farben glitzernden, irgendwie fremd und geheimnisvoll wirkenden Juwelen und all die übrigen Facetten des Schmuckstücks versunken betrachtet. Als er bemerkte, dass er nicht mehr allein war, hatte er sich wie gewohnt mit Gewalt von der hypnotischen Wirkung des Geschmeides losreißen müssen.
Der Heeresmeister trug seine ebenholzfarbenen Haare kurz, und sein Bart war vor drei Tagen erst zurückgestutzt worden, abgesehen von seiner buschigen Oberlippenbehaarung. Schon in seiner Jugend war er in den Militärdienst eingetreten, denn er hatte niemals einen anderen Beruf als den eines Kriegers ergreifen wollen, wenngleich seine Eltern einfache, brave Bauern waren und dieses brennende Verlangen anfangs nicht verstanden. Mittlerweile waren sie jedoch stolz auf den zweitältesten ihrer vier Söhne, denn mit seinen nunmehr neununddreißig Jahren war er unter Imalra neben Arnhelm, Kogan und Braccas Rotbart zu einem der hochrangigsten Befehlshaber Rhodrims aufgestiegen. Und dies war keineswegs durch Zufall oder Willkür geschehen, sondern ganz allein, weil man ihn allenthalben als tüchtigen, pflichttreuen Menschen, der einausgezeichnetes strategisches Gespür besaß, schätzte. Ebenso hoch ehrten ihn die ihm unterstellten Männer, da er stets menschlich in seinen Umgangsformen blieb und in jeder Hinsicht als Vorbild diente, wie es sonst lediglich noch Arnhelm gelang. Im Gegensatz zu demselben konnte man ihm vielleicht als einzigen Makel ankreiden, dass er gelegentlich zu ruhig und verständnisvoll war und sich gegenüber den ihm Vorgesetzten für gewöhnlich mit eigenen, möglicherweise besseren Ratschlägen aus Respekt und Loyalität zurückhielt.
„Was künden unsere Boten aus dem Süden unseres Landes?“, fragte die Fürstin in ihrer wie üblich erhaben wirkenden und mit ihrem Zauber jeden, der sie vernahm, unweigerlich gefangen nehmenden Sprache.
„Nichts Gutes, Herrin. Die Orks sind nach der Zerstörung Torfhuts weiter nach Norden vorgedrungen und halten auf geradem Wege auf Arth Mila zu. Zwischen ihnen und der Stadt gibt es keine Armee und kein Hindernis mehr, das sich ihnen in den Weg stellen könnte“, antwortete Herengard mit schwerer, der ernsten Situation angemessener Stimme.
„Wie lange werden sie nach Eurer Einschätzung benötigen, um die Wälle der Siedlung zu erreichen?“
„Wenn man bedenkt, wie weit sie bereits gelangt
Weitere Kostenlose Bücher