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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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Drittperson um ein Kind, so besteht für dessen Entwicklung die Gefahr, dass es von den Eltern unselbständig und abhängig gehalten wird, um dessen Ablösung zu verhindern, weil die Eltern es benötigen, um nicht wieder ganz auf die dyadische Kollusion zurückgeworfen zu werden.

8.2. Die Drittperson Drittpersonen im Paarkonflikt als Puffer und Bindeglied
    Eine häufige Form, eheliche Spannungen zu verhindern oder zu neutralisieren, ist die Beanspruchung von Drittpersonen als Puffer und Bindeglied. Viele Paare schützen sich ganz allgemein vor zu großer Intimität, indem sie jede Zweisamkeit meiden. Das kann dazu führen, dass sie die Kinder dauernd in der Nähe haben müssen oder ihre Eltern zu sich aufnehmen oder rastlos von einer Party zur anderen fahren, um nur ja nie allein mit dem Partner sein zu müssen. Schädlich ist diese Situation vor allem für die Kinder, die sich dem Anspruch, den Eltern als Bindeglied zu dienen, oft nur schwer entziehen können.
    Beispiel 15: Eine eben mündig gewordene Krankenschwester wurde uns nach einem Suizidversuch zur stationären Psychotherapie zugewiesen. Ihre familiäre Situation war bis vor wenigen Jahren folgende gewesen: Im selben Haushalt lebten die Großeltern mütterlicherseits, eine mongoloide Tante, ein lediger Onkel und die Patientin mit ihrer jüngeren Schwester und dem jüngeren Bruder. Die großelterliche Ehe war allzeit gespannt: Die Großmutter war eine Tyrannin, die alle herumkommandierte, der Großvater ein Säufer, der sich immer wieder in die Wirtschaft absetzte und zu verwahrlosen drohte. Die Mutter war überzeugt, ihre Eltern könnten nicht ohne ihre Vermittlungstätigkeit miteinander auskommen. So fühlte sie sich verpflichtet, bei ihren Eltern zu bleiben, um die elterliche Ehe zusammenzuhalten. Als sie heiratete, blieb sie weiterhin mit ihrem Mann bei ihren Eltern, obwohl das Ehepaar unter der Herrschsucht der Großmutter litt, die sich in all ihre Angelegenheiten einmischte. Der Ehemann war ein temperamentvoller, vitaler und bärenstarker Mann, die Frau dagegen spröde, kontaktscheu und introvertiert. Eheliche Spannungen wurden nie direkt ausgetragen. Vielmehr benützten die Eltern ihrerseits nun das jüngste der Kinder, den Sohn, als Bindeglied. Dieser Sohn musste dauernd bei ihnen sein. Er schlief in ihrem Zimmer. Der Vater verbrachte jede freie Minute mit ihm. Der Sohn entwickelte ein schweres Asthma bronchiale und blieb bis zum zwölften Altersjahr Bettnässer. Beide Krankheiten sprechen für regressive Elternabhängigkeit. Der Sohn war als einziges der Kinder auch bereit, die sektiererische Religiosität der Eltern anzunehmen und mit ihnen täglich in der Bibel zu lesen. Dann traten aber innerhalb weniger Jahre Todesfälle auf, die das familiäre System umstrukturierten: Zuerst starb die mongoloide Tante. Der Onkel heiratete und zog aus dem Hause. Dann verschied die Großmutter, was der Mutter nun endlich die Gelegenheit gegeben hätte, selbständiger zu werden und mit ihrem Mann mehr allein zu sein. Kurz darauf starb der zwölfjährige Knabe an einem Elektrounfall. Dieser Todesfall war für beide Eltern, vor allem für den Vater, ein schwerer Schlag. Mit drastischer Gebärde schilderte der Vater, wie ihm mit diesem Tod ein Stück von ihm selbst aus der Brust herausgerissen worden sei. Die Eltern waren nun erstmals unter sich, weil die zwei übriggebliebenen Töchter bereits auswärts arbeiteten und nur über das Wochenende heimkamen. Das versetzte vor allem den Vater in große Angst in seiner Beziehung zur Mutter. Er suchte zunächst Halt in der Übersteigerung seiner sektiererischen Religiosität, dann aber in deutlich erotischen Ansprüchen an die Töchter, ihn nicht zu verlassen.
    GM =
Großmutter,
GV =
Großvater,
M =
Mutter,
V
= Vater,
S =
Sohn,
T 1
= ältere Tochter,
T 2 =
jüngere Tochter.
    Bis dahin waren die beiden Töchter von der familiären Pathologie relativ wenig behelligt worden. Sie gerieten nun aber durch den Tod des Bruders in eine schwierige Position: Einerseits standen sie in der Adoleszenz und hätten sich mit all den Problemen des Erwachsenwerdens und der Ablösung von den Eltern befassen müssen. Andererseits fühlte sich vor allem die ältere Tochter aus Loyalität ( BOSZORMENYI-NAGY & SPARK ) verpflichtet, die Stelle des verstorbenen Bruders einzunehmen und den Eltern ihr Leben aufzuopfern. Aus diesem für sie unerträglichen Konflikt heraus unternahm sie schließlich einen Suizidversuch. Für die Eltern war die damit

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