Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
Vom Netzwerk:
offiziell von ihr bekämpfte außereheliche Beziehung ihres Mannes am Leben erhalten und an dieser aus der Zuschauerposition teilnehmen. Oder es kann ein Mann froh sein, dass seine Frau ihre psychischen Schwierigkeiten mit einem Psychotherapeuten diskutiert und er davon entlastet ist, sich dauernd so intensiv mit ihr beschäftigen zu müssen. Gelegentlich wird sich ein Paar über den Stellenwert einer Drittperson erst klar, wenn diese ausfällt.
    Beispiel 16 : Ein Paar meldete sich zur Ehetherapie wegen übertriebener und angeblich unbegründeter Eifersucht des Mannes. Die Frau war als Einzelkind stark an ihren Vater gebunden geblieben. Sie heirateten, als sie erst 20-jährig war. Ihr Mann war damals ebenfalls noch sehr jung. Er hatte den größten Teil seiner Kindheit in Pflegefamilien und Heimen verbracht und war nun glücklich, in den Eltern seiner Frau einen Ersatz für sein mangelndes Elternhaus gefunden zu haben. Nach zehnjähriger Ehe brach in Zusammenhang mit dem Tod des Vaters der Frau in der glücklichen Beziehung die Krise aus. Bis dahin hatte das Ehepaar in einer symmetrischen Kinderbeziehung zum Vater gestanden. Beide waren recht unselbständig geblieben und fanden im Vater Schutz und sichere Führung. Nach dessen Tod fühlten sie sich verwaist. Sie spürten die Notwendigkeit, nun selbst die Erwachsenen-Funktionen zu übernehmen. Der Mann sah sich vom Anspruch der Frau, den Vater ersetzen zu müssen, überfordert. Er entwickelte eine irrationale Eifersucht, indem er vermutete, seine Frau werde einen anderen Mann suchen, der ihr den verstorbenen Vater besser ersetzen könnte als er selbst.
    In beschränktem Maße ist die triadische Funktionsteilung notwendig und begrüßenswert, da sonst der Anspruch auf umfassende gegenseitige Bedürfnisbefriedigung die Ehe überlasten kann. Die triadische Funktionsteilung muss also keineswegs ein Abwehrmanöver sein, indem sie der Realität Rechnung trägt, dass sich die Partner gegenseitig nicht alles sein und bedeuten können. So hat auch die Beziehung zu den Eltern, Verwandten, Freunden und Kindern triadische Züge, indem sie gewisse Beziehungsmodalitäten ermöglicht, die in der Ehe schwer zu realisieren wären. Für die Funktionsfähigkeit der Dyade wird wichtig sein, ob dabei das Abgrenzungsprinzip und die Gleichwertigkeitsregel eingehalten bleiben und in welchem Ausmaß der Drittteil für die Existenz der Dyade benötigt wird.
     
    Eheliche Dreiecksbeziehungen Dreiecksbeziehung
    Außereheliche Beziehungen gehören zu den häufigsten äußeren Anlässen, die ein Paar zum Eheberater oder Ehetherapeuten führen. Grundsätzlich bemühen sich Psychotherapeuten, eine wertfreie Haltung einzunehmen und es dem Paar anheimzustellen, ob sie sich mit dieser außerehelichen Beziehung einzurichten versuchen, ob sie die Ehe auflösen wollen oder ob sie die außereheliche Liebschaft aufgeben sollten. Wenn man aber die psychotherapeutische Literatur liest, fällt auf, dass sich ein Wandel in den Wertvorstellungen der Therapeuten abzeichnet. Noch vor wenigen Jahren wurde jemandem neurotische Bindungsunfähigkeit, Angst vor Intimität, Sucht nach phallischer Selbstbestätigung usw. nachgesagt, wenn er nicht zu einer langdauernden, stabilen Zweierbeziehung fähig war, sondern in außereheliche Beziehungen ausbrach. Zur Erklärung seines Verhaltens hätte man ihm in der Lebensgeschichte Fakten nachgewiesen, die ihn an einer ausschließlichen Zweierbeziehung behinderten. Heute ist eine umgekehrte Tendenz spürbar. Der Anspruch auf eheliche Treue ist manchen neuroseverdächtig. Eifersucht wird mit infantilen Abhängigkeitswünschen, Trennungsängsten, Besitzansprüchen usw. in Zusammenhang gebracht und ist Anlass für eine psychotherapeutische Behandlung.
    Wenn ich auch grundsätzlich eine möglichst unvoreingenommene Haltung des Therapeuten für notwendig erachte, so halte ich es andererseits für wichtig, die Wertgebundenheit der eigenen therapeutischen Haltung nicht zu verleugnen, sondern vielmehr zu reflektieren. Es wäre naiv zu glauben, unser therapeutisches Handeln könnte je wertfrei sein. Bei einer außerehelichen Beziehung ist zum Beispiel ein grundsätzlich anderes Ergebnis zu erwarten je nachdem, ob wir das Ehepaar in Paarbehandlung nehmen und der Geliebten – soweit notwendig – eine Einzeltherapie bei einem anderen Therapeuten empfehlen oder ob wir alle drei in eine Dreierbehandlung nehmen. Der vom Therapeuten festgelegte äußere Behandlungsrahmen verrät bereits

Weitere Kostenlose Bücher