Die Zweierbeziehung
durch Erzeugung von Angst-, Schuld- oder Schamgefühlen zur Fortsetzung der Kollusion drängen, so setzt sich der krisenhafte Prozess eventuell in Richtung einer Scheidung fort. Eine Zeitlang wird man vielleicht dem Frieden zuliebe scheinbar weiterhin Kollusion spielen, oder man versucht sich abzulenken und außerhalb der Ehe die nicht zugelassenen persönlichen Möglichkeiten zu realisieren. Sofern nicht äußere Gründe dagegenstehen, kommt es meist früher oder später zur Auflösung der Beziehung. Wie echt und gesund diese Kollusionsverweigerung tatsächlich ist, wird sich später erweisen, insbesondere wenn eine neue Beziehung eingegangen wird. Nicht immer ist nämlich die Initiative zur Scheidung Ausdruck einer gesunden Verweigerung eines neurotischen Arrangements. Es kann auch der kollusionswillige Partner die Scheidung anstreben, weil der andere nicht mehr ausreichend mitspielt und er sich somit lieber mit einem neuen Kollusionspartner versuchen will.
Gelegentlich kommt es zur Scheidung ohne Scheidungsabsicht. Scheidungsdrohungen werden besonders in der analen Kollusion oft als bloße Waffe eingesetzt. In der Neigung, auf jede Provokation mit eskalierender Gegenaktion zu antworten, können sich die Partner in eine zwangsläufige Entwicklung hineinsteigern, die sie zur Scheidung zwingt, weil keines ohne Gesichtsverlust nachgeben kann. Es kommt dann zu einem endlosen Scheidungsprozess, in dem sich die Partner aus Trennungsschmerz das Leben zur Hölle machen und sich in tödlichem Hass zu zerstören suchen. Auch nach der Scheidung können es solche Partner nicht unterlassen, einander weiterhin zu quälen.
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7. Partnerwahl Partnerwahl und Einspielen der Kollusion
Dieses Kapitel dient mit einigen Ergänzungen dem besseren Verständnis des Kollusionskonzeptes, Ergänzungen zum Teil mehr theoretischer Art, die vielleicht eher Fachleute interessieren. Ich will mich mit dem Problem der Partnerwahl auseinandersetzen, weil das neurotische Zusammenspiel der Partner ja bereits mit der ersten Begegnung beginnt. Es stellt sich die Frage: Greifen die Abwehrstrukturen der Partner von Anfang an ineinander wie Schlüssel und Schloss, oder ergibt sich die Kollusion erst aus einem beiderseitigen Anpassungsprozess?
Ferner soll der Begriff der Kollusion noch klarer umschrieben werden, insbesondere in der Abgrenzung zu Ehekonflikten, die keinen kollusiven Charakter haben, und in Abgrenzung zu Ehestörungen, die einseitig der neurotischen Beziehungsform nur des einen Partners zuzuschreiben sind.
Anschließend möchte ich auf die im Interesse der Lesbarkeit bis jetzt wenig erwähnte Literatur verweisen, in der sich ähnliche Ansätze finden, wie ich sie hier darzustellen versuche.
Schließlich wird noch gezeigt, dass sich das Kollusionskonzept nicht auf Ehekonflikte beschränkt, sondern auf Gruppenprozesse jeglicher Art erweitern lässt.
7.1. Die Kollusion: Schlüssel-Schloss-Phänomen Schlüssel-Schloss-Phänomen oder Anpassungsprozess?
Wenden wir uns zuerst der Frage zu, ob sich bei der Partnerwahl eher gleichartige oder gegensätzliche Persönlichkeitsstrukturen anziehen. Es gibt zwei sich scheinbar widersprechende Regeln: «Gleich und Gleich gesellt sich gern» (Homogamie) und «Gegensätze ziehen sich an» (Heterogamie). In diesem Sinne gibt es eine reichhaltige Literatur über die Partnerwahl. Das Problem ist sehr komplex, und die Ergebnisse sind widersprüchlich. Relativ einfach und gesichert ist der statistische Nachweis der Gleichartigkeit der Partner bezüglich Klasse, Rasse, Religion, Weltanschauung, Werthaltungen, Einstellungen, Gewohnheiten und Interessen. Das muss allerdings nicht auf der höheren «Anziehung» zwischen Ähnlichen beruhen, sondern kann darin begründet sein, dass die Chance, einen Partner kennenzulernen, in der gleichen sozialen und beruflichen Schicht am größten ist. Wesentlich schwieriger gestaltet sich das Problem der Partnerwahl in Bezug auf Persönlichkeitsmerkmale. Hier sind denn auch die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen widersprüchlich. Rein methodisch ist das Problem der Gleichheit oder Verschiedenheit schwer prüfbar bezüglich emotionaler Faktoren wie Ängsten, Trieben, Bedürfnissen, Abwehrmechanismen usw. W INCH nimmt eine Komplementarität von Bedürfnissen an. Andere wiederum heben die Ähnlichkeit der Persönlichkeitsstruktur der Partner hervor. Untersuchungen verschiedener Autoren wie K REITMAN und Mitarbeiter, P ENROSE und N IELSEN u.a. ergeben bei
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