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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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negative Glühwürmchen.
    Und bruchstückhaft dazwischen zu sehen: das bösartige und rachsüchtige Gesicht des begehrlichen neuen Mannes seiner Frau, das herrschsüchtige Gesicht des strengen neuen Vaters seiner Töchter.
    Glühwürmchen. Überall, überall. Breiteten ihre Schwingen des Vergessens aus.
    Bumm. Laut wie ein Gewehrschuß. Eine zweite, dritte, vierte Explosion – eine nach der anderen. Die Balustrade brach.
    Der Handlauf bekam einen Sprung. Kippte nach hinten. Er wurde nicht mehr von der Balustrade gestützt, die darunter zersplittert war.
    Marty hörte auf, sich gegen den Angreifer zu wehren, und versuchte verzweifelt, Arme und Beine um das Geländer zu schlingen, weil er hoffte, er könnte sich an den Überresten festklammern, statt in die Tiefe zu stürzen. Aber das Mittelstück der Balustrade löste sich so schnell und gründlich auf, daß er keinen Halt an den zerbrechenden Bestandteilen finden konnte, und das Gewicht des ihn umklammernden Angreifers unterstützte die Schwerkraft noch mehr, als erforderlich gewesen wäre. Doch während sie über dem Abgrund taumelten, veränderten Martys Bewegungen die Dynamik ihres Kampfes gerade so sehr, daß der Andere über ihm abrollte und zuerst abstürzte. Der Angreifer ließ Martys Hals los, zog ihn aber mit sich. Sie stürzten auf die Treppe, durchbrachen das Geländer, das sie dabei zu Kleinholz verarbeiteten, und landeten auf den mexikanischen Fliesen des Dielenbodens.
    Der Sturz ging über knapp fünf Meter, nicht besonders hoch, wahrscheinlich nicht einmal eine tödliche Strecke, und ihr Schwung wurde vom Treppengeländer gebremst. Doch der Aufprall schlug das bißchen Luft aus Marty heraus, das er auf dem Weg nach unten in die Lungen gesogen hatte, obwohl der Andere ihm als Prellbock diente, da dieser als erster mit dem hallenden Tschuck eines Vorschlaghammers auf die Fliesen prallte.
    Keuchend und hustend stieß sich Marty von seinem Doppelgänger weg und versuchte, aus dessen Reichweite zu kriechen. Er war außer Atem, schwindlig und nicht sicher, ob er irgendwelche Knochen gebrochen hatte. Wenn er einatmete, tat die Luft in seinem rauhen Hals weh, und wenn er hustete, hätten die Schmerzen nicht schlimmer sein können, als hätte er versucht, verfilzten Stacheldraht gespickt mit Nägeln zu verschlingen. Katzenhaft schnell davonzukriechen, was ihm vorschwebte, erwies sich als unmöglich; er konnte sich nur über den Dielenboden schleppen und dabei zappeln und zucken wie ein Käfer, der mit Insektenvertilgungsmittel besprüht worden war.
    Als er die Tränen wegblinzelte, die ihm das schmerzhafte Husten in die Augen getrieben hatte, erblickte er die Smith & Wesson. Diese lag etwa fünf Meter entfernt etwas jenseits der Stelle, wo der Wechsel von Fliesen zu Holzboden den Übergang von Diele zum Wohnzimmer markierte. Betrachtete man die Verbissenheit, mit der er sich darauf konzentrierte, und die Entschlossenheit, mit der er seinen halb betäubten und schmerzenden Körper darauf zu schleppte, hätte die Pistole gut und gerne der Heilige Gral sein können.
    Er bemerkte ein Rumpeln, das nichts mit dem Sturm zu tun hatte, gefolgt von einem Plumpsen, das er dunkel mit dem Anderen in Verbindung brachte, hielt aber nicht inne, um zurückzusehen. Vielleicht hatte er eine Todeszuckung gehört, das Trommeln von Absätzen auf dem Boden, ein letztes Aufbäumen. Der Dreckskerl mußte ja mindestens schwer verletzt sein. Verkrüppelt und sterbend. Aber Marty wollte die Waffe in den zitternden Händen halten, bevor er sein eigenes Überleben feierte.
    Er griff nach der Pistole, umklammerte sie und stieß ein erschöpftes, triumphierendes Grunzen aus. Er drehte sich auf die Seite, robbte herum und zielte in die Diele zurück; er rechnete schon damit, seinen hartnäckigen Verfolger über sich aufragen zu sehen.
    Aber der Andere lag immer noch flach auf dem Rücken. Beine ausgestreckt. Arme an den Seiten. Reglos. Vielleicht sogar tot. Aber den Gefallen tat er ihm nicht. Er drehte den Kopf zu Marty. Sein Gesicht war blaß, schweißgebadet, weiß und glänzend wie eine Porzellanmaske.
    »Gebrochen«, winselte er.
    Er schien nur den Kopf und die Finger der rechten Hand bewegen zu können, aber nicht die Hand selbst. Eine Grimasse der Anstrengung, nicht der Schmerzen, verzerrte sein Gesicht. Er hob den Kopf vom Boden, und die agilen Finger verkrampften und entspannten sich wie die Beine einer sterbenden Tarantel, aber er schien sich nicht aufrichten oder die Beine an den

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