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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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und ich war allein. Ich hatte nur die Maschinen, kalte Maschinen. Jetzt bin ich gebunden. Jetzt bin ich …“ Wieder zögerte er. „Jetzt bin ich nicht mehr allein.“
    Ich griff in ihn hinein und fand dort tatsächlich Glück, gepaart mit Liebe. Aber jetzt war da auch noch ein Schmerz, eine vage Erinnerung an vergangene Pein, der Gestank unerwünschter Erinnerungen. Verblaßten sie? War das möglicherweise das Geschenk, das die Greeshka ihren Opfern machten – vergessen, süße, gedankenlose Ruhe und das Ende allen Strebens? Vielleicht.
    Ich beschloß, etwas auszuprobieren. „Das Ding auf Ihrem Kopf“, sagte ich scharf. „Es ist ein Parasit. Es trinkt Ihr Blut, ernährt sich davon. Es wächst, und je größer es wird, desto mehr wird es Ihnen die Dinge entziehen, die Sie brauchen, um leben zu können. Schließlich wird es darangehen, Ihr Gewebe aufzufressen. Verstehen Sie? Es wird Sie fressen. Ich weiß nicht, wie schmerzhaft das sein wird, aber das ist auch egal, am Schluß jedenfalls sind Sie tot. Es sei denn, Sie kommen jetzt mit uns zum Turm und lassen es von den Chirurgen wegoperieren. Oder vielleicht können Sie es allein wegbekommen. Warum versuchen Sie es nicht? Greifen Sie hinauf und reißen Sie’s weg. Los!“
    Ich hatte erwartet – was? Zorn? Entsetzen? Empörung? Nichts von dem bekam ich zu spüren. Kamenz stopfte sich nur Brot in den Mund und lächelte mich an, und alles, was ich lesen konnte, waren seine Liebe und Glück und ein wenig Mitleid.
    „Der Greeshka tötet nicht“, sagte er endlich. „Der Greeshka schenkt Freude und glückliche Einigkeit. Nur jene, die keinen Greeshka haben, sterben. Sie sind … allein. Oh, für immer allein.“ Etwas in seinem Geist bäumte sich in plötzlichem Entsetzen auf, aber es verblaßte schnell wieder.
    Ich starrte auf Lya. Sie war verkrampft, ihre Augen waren steinern; sie las noch immer. Ich schaute zurück und begann, eine andere Frage zu formulieren. Aber plötzlich begannen die Gebundenen wieder zu läuten. Einer der Shkeen fing damit an, schwang seine Glocke auf und nieder und ließ einen einzelnen scharfen Klang entstehen. Dann schwang seine andere Hand, dann wieder die erste, dann die zweite, dann begann ein anderer Gebundener zu läuten, dann wieder ein anderer, und dann schwangen sie alle die Glocken und läuteten, und die Stimme ihrer Glocken schmetterte gegen meine Ohren, während die Freude und die Liebe und das Gefühl der Glocken meinen Geist ein weiteres Mal erstürmten.
    Ich zögerte, davon zu kosten. Die Liebe, die ich dort fand, war atemberaubend, schmerzhaft, fast erschreckend in ihrer Glut und Intensität, und da gab es soviel Teilen, man konnte sich darin verlieren, sich darüber wundern – ein derartig besänftigender, beruhigender, aufstachelnder Gobelin guter Gefühle. Irgend etwas geschah mit den Gebundenen, wenn sie läuteten, irgend etwas berührte sie und richtete sie auf und gab ihnen ein Glühen, etwas Fremdartiges und Wunderbares, das kein Normaler in der harten, metallischen Musik hören konnte. Aber ich war kein Normaler. Ich konnte es hören.
    Ich löste mich zögernd, langsam. Kamenz und der andere Mensch läuteten jetzt eifrig: mit breitem Lächeln und strahlenden, funkelnden Augen, die ihre Gesichter verklärten. Lyanna war noch immer verkrampft, und sie las noch immer. Ihr Mund war leicht geöffnet, und sie stand zitternd da.
    Ich legte einen Arm um sie und wartete, lauschte der Musik, war geduldig. Lya las weiter. Endlich, Minuten später, schüttelte ich sie behutsam. Sie drehte sich um und starrte mich aus harten, wie in weite Fernen gerichteten Augen heraus an. Dann blinzelte sie. Und ihre Augen weiteten sich, und sie kam zu sich, schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn.
    Verstört sah ich in ihren Kopf hinein. Fremdartig – und fremdartiger. Ein wirbelnder Gefühlsnebel, ein Strudel, der immer mehr andere Gefühle umtoste – mehr Gefühle, als ich hätte in Namen fassen können. Kaum war ich eingedrungen, war ich darin verloren, verloren und beunruhigt. Irgendwo in diesem Nebel lauerte ein bodenloser Abgrund darauf, mich zu verschlingen. Wenigstens empfand ich es so.
    „Lya“, sagte ich. „Was geht da vor?“
    Wieder schüttelte sie den Kopf und sah den Gebundenen mit einem Blick nach, in dem sich Angst und Sehnsucht paarte. Ich wiederholte meine Frage.
    „Ich … ich weiß nicht“, sagte sie. „Robb, laß uns jetzt nicht darüber reden. Wir müssen gehen. Ich brauche Zeit zum

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